Mehr Platz für Tiere und Pflanzen, mehr Schutz: 22 Gewässer werden mit Millionenaufwand umgestaltet, auch weil es die EU verlangt.

Hamburg. Stück für Stück zurück zur Natur. Dieser Satz beschreibt die Entwicklung der Tarpenbek perfekt. Viele Teile des mehr als 20 Kilometer langen Flusses zwischen Norderstedt und Eppendorfer Mühlenteich wurden in den vergangenen Jahren renaturiert, denn das verlangt eine EU-Richtlinie. Doch Hamburg hängt hinterher, diese umzusetzen.

Renaturierung bedeutet, dass begradigte oder in anderer Form durch den Menschen veränderte Gewässer wieder in einen natürlichen Zustand zurückversetzt werden. Damit steht die Tarpenbek symbolisch für viele Hamburger Flüsse und Bäche: 22 Gewässer sind in Hamburg für die Renaturierung ausgewählt worden.

+++ Hier wurde und wird renaturiert +++

+++ Verordneter Umweltschutz +++

An der Tarpenbek zwischen dem Ostfalenweg und der Hasenheide ist die Umgestaltung in zwei Abschnitte unterteilt. Der erste wurde 2010 bereits abgeschlossen. Dabei wurden Kiesbänke und andere Hindernisse eingesetzt, um die Strömung zu verändern. Das Wasser wird sauerstoffreicher, und neue mögliche Verstecke bieten zusätzliche Lebensräume für viele Tierarten. Danach hatte diese neue alte Natur Zeit, sich etwas einzuspielen, bevor nun der zweite Bausabschnitt begann. Insgesamt wird die Umgestaltung dort 76 000 Euro kosten.

Dabei ist die Renaturierung der Tarpenbek nicht die einzige im Bezirk Eimsbüttel. Vier Maßnahmen wurden in den vergangenen Jahren schon umgesetzt. Weitere fünf sind für 2012 geplant. Darunter sind zum Beispiel die Kollau, die Mühlenau und die Burgwedelau in Eimsbüttel. Auch in anderen Bezirken ist die große Renaturierungswelle im Gange. Im Bezirk Nord ist es beispielsweise die Osterbek, in Altona die Wedeler Au.

Das kommt nicht von ungefähr, denn die Zeit drängt: Mit einer Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) haben sich die europäischen Staaten 2000 verpflichtet, Flüsse, Seen und Grundwasser zu schützen. Dazu zählt auch eine natürliche Form. "In ganz Hamburg sind aber viele Gewässer eingedeicht, begradigt, eingetieft oder aufgestaut", sagt Eimsbüttel-Sprecher Stephan Glunz. "Und gelten damit als erheblich verändert oder gar künstlich." Nun enthält die WRRL auch einen Zeitplan. In diesem steht, dass die nötigen Renaturierungsmaßnahmen bis Ende 2015 umgesetzt sein müssen. Bereits 2010 hat der Senat eine Verlängerung der Frist für einzelne Projekte beantragt. Trotzdem sollen viele Gewässer rechtzeitig fertig werden.

Für den Doppelhaushalt 2011/2012 hat der Senat jährlich drei Millionen Euro zusätzlich für die Renaturierung zur Verfügung gestellt. "Allein das zeigt, welchen Stellenwert das Ganze für den Senat hat", sagt Frank Krippner, Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Die Behörde dränge darauf, diesen Etat auch 2013/2014 zu ermöglichen.

"Wir freuen uns, wenn versucht wird, die Richtlinie einzuhalten", sagt Bernd Quellmalz vom Naturschutzbund (Nabu). "Allerdings hätten die Zuständigen damit auch schon früher anfangen können. Da ist jahrelang nichts passiert. Und jetzt sind sie im Verzug." Schließlich sei das Ziel seit vielen Jahren bekannt.

Der Nabu führt Renaturierungsmaßnahmen schon seit gut 20 Jahren durch - ehrenamtlich. Derzeit plant der Nabu gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sowie der Aktion Fischotterschutz eine Maßnahme an der Alster, wo Fischotter fast unbemerkt von den Hamburgern allmählich den Flusslauf Richtung Innenstadt besiedeln.

"In Hamburg sind mehr Flüsse künstlich als natürlich", sagt Quellmalz. "Unser Ziel ist es, dass es andersherum wird." Allerdings gibt es gerade in einer dicht besiedelten Großstadt wie Hamburg Grenzen. Oft werden zum Beispiel einfach die Begrenzungen herausgenommen, damit der Fluss sich selbst seinen Weg bahnen kann. Dabei brechen dann auch schon mal Teile des Ufers weg. "Da muss man natürlich vorsichtig sein, dass das keine angrenzende Gärten beeinflusst", sagt Quellmalz.

Andere Methoden sind zum Beispiel das Einsetzen von Kiesbetten und natürlichen Hindernissen, die die Strömung verändern. Bei richtig großen Projekten werden auch geschlängelte Flussläufe ausgehoben. Die Renaturierung hat zwei Ziele: Zum einen sollen dadurch Pflanzen und Tiere geschützt werden, die im feuchten Uferbereich leben, und zum anderen sollen breite Flussbetten und Seitenarme Hochwasser ausgleichen. "Früher dachte man, durch gerade Kanäle kann viel Wasser im Notfall am schnellsten abfließen", sagt Quellmalz. "Und dass das gegen Hochwasser helfen würde." Aber inzwischen habe ein Umdenken hin zur natürlichen Regulierung stattgefunden.