Ein Kommentar von Jan-Eric Lindner

Das sei ganz sicher kein Sonntagsspaziergang gewesen, sagte der Oberstaatsanwalt, als er die Öffentlichkeit über die Umtriebe der obskuren Nazi-Gruppe Die Unsterblichen informierte. "Das hat Angst gemacht", ergänzte der Kripo-Mann, von einer Politisierung ehemals saufender Skinheads" sprach der Verfassungsschützer: Selten haben sich Vertreter der drei Ermittlungsbehörden noch am Tag einer Razzia kollektiv so weit aus dem Fenster gelehnt.

So viel Offenheit lässt nur einen Schluss zu: Die Verantwortlichen haben aus Fehlern gelernt, die sich in der Hansestadt wie andernorts über Jahre eingeschlichen hatten. So lange hatte die Zwickauer Zelle, jene Neonazi-Gang, die mindestens zehn Menschen ermordete, unentdeckt agieren können, weil niemand sie ernsthaft im Blick hatte. Die Wucht, mit der eine so gewaltbereite Gruppe wie die Autonomen Nationalisten auch in Hamburg einschlug, hatten sie ebenfalls unterschätzt.

Auch wenn dies nie zuvorderst ein Fehler der Hamburger Ermittler war: Im Falle der "Unsterblichen" sind sie äußerst bemüht, sich nicht erneut vorwerfen zu lassen, sie litten unter der buchstäblichen Blindheit auf dem rechten Auge. Offenbar ist das nach wie vor brennende Rechtsextremismus-Problem also wieder in den Fokus gerückt. Was auch höchste Zeit wurde.

Denn wenn alles schiefgeht, was schiefgehen kann, erlebt Hamburg am 2. Juni eine Nazi-Demo mit Hunderten von offen verfassungsfeindlichen Teilnehmern aus ganz Deutschland, auf der NPD, der schwarze Block der Autonomen Nationalisten, freie Kameradschaften, Alt-Kader und die offenbar ebenso unverbesserlichen "Unsterblichen" nebeneinander einen "Tag der Deutschen Zukunft" begehen, um ein "Zeichen gegen Überfremdung" zu setzen. Mitten in der Innenstadt und für mehrere Stunden. Bleibt zu hoffen, dass die zuständigen Behörden nun, da sie hellwach sind, ihren Plan, die Großdemo zu verbieten, auch mit vollem Nachdruck verfolgen können.