Die Krisenkanzlerin steht vor ihrer nächsten Kehrtwende.

Das Ergebnis ist mehr als ein Schuss vor den Bug. Es ist auch mehr als eine Warnung an die Regierungschefin, ihren Kurs zu überdenken. Spätestens jetzt ist aus der geachteten Krisenkanzlerin eine gescholtene Kanzlerin geworden, der das Vertrauen als Krisenmanagerin zunehmend entzogen wird - ausgerechnet von der eigenen Koalition. Wenn Angela Merkel in einer der wichtigsten Bundestagsentscheide der Legislaturperiode - zumal nach einer Regierungserklärung - keine eigene Mehrheit erzielt, ist die Krise da. Es hilft auch nicht der Verweis auf beschwichtigende Stimmen, die vor der Abstimmung zur erneuten Griechenland-Rettung das Muss einer Kanzlermehrheit kleinredeten. Klar, es fehlten nur ein paar wenige Stimmen. Aber von einer funktionierenden Koalition darf man erwarten, dass sie bei derart weitreichenden Entscheidungen wie selbstverständlich zusammensteht.

Der Abstimmungsausgang über die Hilfen von 130 Milliarden Euro ist also wahrhaft bedeutsam. Denn er lässt simple Schlussfolgerungen zu. Die eine lautet: Ein drittes Griechenland-Paket, wie es Finanzminister Wolfgang Schäuble bereits in Erwägung zieht, kann die Kanzlerin kaum noch wollen. Ihre nächste Niederlage wäre programmiert, selbst wenn die Hilfstranche dank SPD und Grünen den Bundestag passieren könnte. Ein solcher erneuter Beweis für die schwarz-gelbe Unberechenbarkeit würde das Kabinett an den Rand der Regierungsunfähigkeit führen.

Ein weiterer Schluss lautet: Merkel wird ihre Griechenland-Politik ändern müssen, weil sie zum Wohle ihres Machterhalts dazu gezwungen ist. Dem Wahlvolk braucht sie schon lange nicht mehr zu beweisen, zu welchen Kehrtwenden sie in der Lage ist. Nicht sofort, vielleicht in ein paar Monaten wird sie Gedanken aussprechen, die sie gestern noch strikt abgelehnt hat. Bedienen kann sie sich dann bei den Aussagen ihres CSU-Innenministers Hans-Peter Friedrich, der als erstes Regierungsmitglied den Griechen den Austritt aus der Euro-Zone nahegelegt und einen Strategiewechsel gefordert hat.

Merkels nächste Kehrtwende scheint nur noch eine Frage der Zeit.