Missbrauch soll sich vor mehr als 20 Jahren an der Grundschule An den Teichwiesen ereignet haben

Barmbek. "Herzlich, fürsorglich, sehr freundlich" - so haben gestern gleich mehrere ehemalige Schüler ihren früheren Klassenlehrer Kai J. vor dem Amtsgericht Barmbek beschrieben. Das passte so gar nicht zu den Vorwürfen, wegen derer sich der Musikpädagoge verantworten muss. Der 63-Jährige ist angeklagt wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. In einem Klassenzimmer der Grundschule An den Teichwiesen in Volksdorf soll Kai J. in den Jahren 1990 und 1991 zwei Schülerinnen, damals sechs und sieben Jahre alt, vor der gesamten Klasse geküsst haben.

Eines der vermeintlichen Opfer, die damals sechsjährige Heike (Name geändert), hatte im Mai 2010 Anzeige gegen den Pädagogen erstattet. Als Kai J., ein grauhaariger älterer Herr, gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt Mathias Frommann im Gerichtsgebäude an der Spohrstraße erschien, warteten bereits mehrere Kamerateams und Fotografen auf die beiden. Im Saal 020 war kein Sitzplatz mehr frei. Auch viele Schüler der Albert-Schweitzer-Gesamtschule, an der der Musikpädagoge von 1999 bis zur Anklageerhebung im Januar 2011 gearbeitet hatte, waren unter den Prozessbeobachtern. Schulleiter Olaf Pahl war auch da: "Ich kann auch nach dem ersten Prozesstag nur meine Solidarität zu Herrn J. betonen."

Kai J. sei ein "sehr engagierter und beliebter Kollege". Kai J. schwieg gestern vor Gericht. Als Zeugin war auch das zweite vermeintliche Opfer geladen. Die heute 28-Jährige berichtete, wie der Lehrer sie damals als Siebenjährige in einem Nebenraum des Klassenzimmers auf den Mund geküsst habe. Sie habe sich hilflos gefühlt, sagte die junge Frau. Immer wieder musste sie innehalten und schluchzte während ihrer Aussage: "Ich habe mich meiner Mutter anvertraut. Sie hat dann bei Herrn J. angerufen und ihn aufgefordert, das mit dem Küssen zu lassen." Doch zunächst habe sich der Pädagoge davon nicht beeindrucken lassen. Es sei ein weiterer Anruf der Mutter bei Kai J. notwendig gewesen, erst dann habe der Lehrer damit aufgehört, das Mädchen zu belästigen.

Die anderen Klassenkameraden von damals, die gestern als Zeugen aussagten, haben von den Zungenküssen nach eigenem Bekunden nichts mitbekommen. Es habe allerdings zur Begrüßung hin und wieder ein "Küsschen" auf die Wange gegeben, erinnerte sich ein Schüler. Andere berichteten von "herzlichen Umarmungen" des Lehrers und davon, dass Kai J. immer ein "offenes Ohr" für die Probleme der Heranwachsenden gehabt habe.

Vor Gericht stellte sich dann heraus, dass der Rechtsanwalt des Lehrers, Mathias Frommann, ehemaliger Bezirksamtsleiter in Nord, einige Zeugen zuvor zu sich in die Kanzlei bestellt hatte. Das bezeichnete die Richterin zwar als "unüblich, aber rechtmäßig".

Die Wahrheit muss nun das Gericht klären. Am Rande des Prozesses wendeten sich zwei weitere ehemalige Schülerinnen an die Staatsanwältin und berichteten ebenfalls von sexuellen Übergriffen durch den Lehrer. Die beiden Frauen sollen nun als Zeuginnen bei der Fortsetzung des Prozesses am 14. März aussagen.

Einer der Fälle soll sich bereits Anfang der 80er-Jahre ereignet haben. Die ehemalige Schülerin von Kai J. beschuldigt ihn ebenfalls des "sexuellen Missbrauchs".

Eine Anzeige hatte sie allerdings damals nicht erstattet. Doch die Elternvertreter der Schule und der damalige Direktor seien damals informiert worden, sagte die Frau dem Abendblatt.

Doch selbst nachdem nun gestern vor Gericht zwei neue Zeuginnen aufgetaucht sind, die den Angeklagten schwer belasten, steht für Rechtsanwalt Mathias Frommann weiterhin fest: "Ich bin nach wie vor von der Unschuld meines Mandanten überzeugt. Diese Einschätzung hat sich für mich auch nach der gestrigen Hauptverhandlung bestätigt", so Frommann weiter.