Dass schon 60-Jährige ein Ehrenamt aufgeben müssen, ist aberwitzig

Der Mann ist gerade 60 Jahre alt geworden, kerngesund und voller Tatendrang. Die Kollegen schätzen und brauchen ihn. Und er will partout nicht einsehen, warum er das Ehrenamt in der Freiwilligen Feuerwehr Nienstedten nicht weiterhin ausüben darf. Seit mehr als vier Jahrzehnten ist diese verantwortungsvolle Nebentätigkeit die große Leidenschaft des kaufmännischen Angestellten Johannes Dau. Folglich nahm er sich jetzt einen Rechtsanwalt, um gegen den nicht gewünschten Ruhestand zu klagen.

Dass dieser Rechtsstreit vom ehemaligen Justizsenator Till Steffen (GAL) geführt wird, dokumentiert den politischen Aspekt des Falls.

Denn es ist Tatbestand, dass der demografische Wandel in Deutschland nicht mehr im Einklang mit dem Recht steht. Im Schnitt werden die Deutschen immer älter. Lag der Anteil der 40- bis 60-Jährigen 1962 noch bei 16,4 Prozent, so liegt er aktuell über 21 Prozent. Entsprechend sinkt der Bevölkerungsanteil der Jüngeren. Deshalb war es folgerichtig, die Ruhestandsgrenze mit der "Rente mit 67" nach oben zu korrigieren. Um das Rentensystem weiter finanzieren zu können, sollen Arbeitnehmer zukünftig länger arbeiten.

Zwar dreht sich die aktuelle Klage gegen einen Ruhestand mit 60 Jahren um die Aktivität in einem Ehrenamt. Dennoch ist es eine Grundsatzfrage: Zählt man mit 60 schon zum alten Eisen? Während in der Charta der EU-Grundrechte eine Diskriminierung aus Altersgründen verboten ist, hinkt das deutsche Recht hinterher. Konsequenz: Einzelne müssen prozessieren, ohne dass dieses Kardinalproblem gelöst wäre.

So wurde ein Haltestellenwärter der Hamburger Hochbahn, der auch nach seinem 65. Geburtstag weiterarbeiten wollte, im Februar 2011 vom Landesarbeitsgericht erst in zweiter Instanz nach Hause geschickt. Im September 2011 obsiegten Flugkapitäne der Lufthansa: Der Europäische Gerichtshof entschied, dass sie auch nach ihrem 60. Geburtstag fliegen dürfen. Vor drei Wochen erstritt ein 75 Jahre alter Professor vor dem Bundesverwaltungsgericht das Recht, weiterhin lehren und forschen zu dürfen. Er empfand den Ruhestand allein aus Altersgründen als diskriminierend. Und in Niedersachsen sollen Beamte bald später in Pension gehen dürfen. Es tut sich also eine Menge - in Einzelfällen. Von der grundsätzlichen Lösung allerdings sind wir noch weit entfernt.

Gerade in Ehrenämtern existieren teilweise willkürliche Altersgrenzen. In Schützen- oder Sportvereinen ist in der Regel mit 75 Schluss, ganz gleich, wie agil die Frau oder der Mann noch ist. Schöffen dürfen bis zum Ende ihres 69. Lebensjahres im Einsatz sein. In der freiwilligen Feuerwehr variiert der Zeitpunkt, an dem Abschied genommen werden muss. Vor allem in Flächenländern dürfen Ehrenamtliche deutlich länger helfend aktiv sein als in Stadtstaaten wie Hamburg: in Niedersachsen bis zum Alter von 62, in Mecklenburg-Vorpommern bis 65, in Schleswig-Holstein bis 67 Jahre.

Dies dient nicht nur der Brandbekämpfung, sondern auch dem gesellschaftlichen Miteinander. Weil die Mitglieder der Wehren einen wichtigen Anteil am sozialen Zusammenhalt haben. Und auf dem Dorf wie in der Stadt stellt sich die Frage: Können und dürfen wir es uns leisten, auf Erfahrung und Professionalität der Älteren zu verzichten? Zumal die Zahl der Jüngeren konstant sinkt. Weil immer weniger Nachwuchs solche wichtigen Tätigkeiten ehrenamtlich übernehmen will - die Begeisterung dafür schwindet. Nicht nur die freiwilligen Feuerwehren, sondern zum Beispiel auch der Deichschutz und das Technische Hilfswerk klagen über Nachwuchsprobleme.

Die Klage des Feuerwehrmanns Rüdiger Dau legt den Finger auf die demografische Wunde. 60 Jahre ist heutzutage kein Alter mehr.