Aus einer Bagatelle wird ein großer Fall, weil eine Juristin und ein Polizist im Prozess gelogen haben sollen. Richter im Ruhestand soll aussagen.

Finkenwerder. Eine Richterin und ein Polizeibeamter, denen vorgeworfen wird, vor Gericht falsche Aussagen gemacht zu haben, ein ehemaliger Obstbauer, der sich mit örtlichen Naturschützern nicht grün ist, und ebenjene Aktivisten des Finkenwerder Vereins Schlickfall, die unter Naturschutz nicht immer das verstehen, was Landwirte davon halten: Der Richter hatte es während eines Prozesses am Harburger Amtsgericht mit einer Posse zu tun.

So sind die Hamburger Finanzrichterin Barbara St. und der Polizeibeamte Jörn Ewald T. sowie die Journalistin Patricia Sch. und ihr Lebensgefährte Holger M. angeklagt, es in einem vorangegangenen Verfahren mit der Wahrheit nicht so genau genommen zu haben - "uneidliche Falschaussage und Verdacht der versuchten Strafvereitelung" lauten die Tatvorwürfe für das Quartett.

Hintergrund sind Streitereien, die sich während einer "Grabenschau" im November 2007 im Naturschutzgebiet Westerweiden auf Finkenwerder zugetragen hatten. Ab und an werden die Gräben im Deichgebiet begutachtet. Zur Veranstaltung geladen sind für gewöhnlich Anlieger und Vertreter des Be- und Entwässerungsvereins (BEV). Holger M., Patricia Sch., Barbara St. und Jörn Ewald T. waren dabei sowie der damalige Vorsitzende des BEV, der Obstbauer Heinrich Q. Als sie die Westerweiden betreten wollten, protestierten Mitglieder des Schlickfall-Vereins dagegen, und Q. soll die Aktivisten mit "Ihr seid Spinner" und "größenwahnsinnig" tituliert haben. Das ließen sie sich nicht gefallen. Nach einer Anzeige kam es zur Gerichtsverhandlung gegen Heinrich Q., die der damalige Amtsrichter Ulf Panzer allerdings schon vor dem Prozess vermeiden wollte. Da sich die Beleidigungsvorwürfe im Bagatellbereich bewegten, so der Richter, sollten sich die Parteien gütlich einigen. Das lehnte der BEV-Vorsitzende jedoch ab. Nachdem die vier Zeugen immer wieder bestätigten, dass Q. die Naturschützer nicht bepöbelt habe, wurde eine Kassettenaufnahme abgespielt, die ein Vereinsmitglied während des Grabenzoffs aufgenommen hatte. Q. verweigerte daraufhin eine Stimmenanalyse und wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. "Vor Gericht wurde schamlos gelogen, und das von Leuten, die einiges zu verlieren haben", sagte der Richter damals während seiner Urteilsverkündung.

So sind aus den damaligen Zeugen heute Angeklagte geworden. Es geht für sie nicht nur um ihren guten Ruf. "Möglicherweise muss ich mit einem Beförderungsstopp rechnen. Das ist eine unvorstellbare Belastung für mich. Es kommt für mich nicht infrage, vor Gericht zu lügen", verliest Polizeibeamter T. seine Aussage, die er zu Papier gebracht hatte.

Richterin St. hat den bekannten Hamburger Anwalt und Vorsitzenden der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer, Otmar Kury, engagiert, ebenfalls ihre Einlassungen schriftlich verfasst und verliest sie. Auch sie sei unschuldig. Holger M. und Patricia Sch. beteuern gleichfalls, keine falschen Angaben gemacht zu haben, M. schiebt die Schuld auf einen dritten Grabenschaubesucher.

Kury geht für seine Mandantin schon zu Prozessbeginn in Angriffsposition. "Die Vielzahl unerträglicher Rechtsfehler im vorangegangenen Prozess geht an die Grenze der Rechtsbeugung. Das ist beispiellos in Hamburg", sagt er dem Abendblatt. So hätte es zu keinem Urteil kommen dürfen. "Die Beweislage ist nicht brauchbar", so Kury. Immer wieder greift er während der Verhandlung den Richter aus dem ersten Prozess, der inzwischen im Ruhestand ist, an. Wesentliche Informationen seien nicht in den Akten vermerkt worden, behauptet der Jurist.

Kury geht außerdem mit Zeugin Petra D., Mitglied im Schlickfall-Verein und damals während der Grabenschau dabei, nicht zimperlich um, versucht, sie unglaubwürdig darzustellen. "Sie lügen mir frech ins Gesicht", sagt er zu ihr, als sie nicht sicher sagen kann, wie sich die Ereignisse bei der Grabenschau vor fünf Jahren genau zugetragen haben. D. ist verblüfft, wirkt ängstlich, schaut oft fassungslos zum Richter.

Kury setzt die Biologin noch stärker unter Druck, konfrontiert sie damit, dass sie mehrmals mit dem Richter aus dem früheren Prozess während des laufenden Verfahrens telefoniert, ihm sogar ein Buch geschenkt habe. "Davon steht nichts in den Protokollen. Ist es üblich, einem Richter Geschenke zu machen?", fragt er die Zeugin. Sie sagt: "Ich finde halt, dass er ein sympathischer Mensch ist." Kury blickt sie starr an. Nach der Vernehmung zittern D. die Hände.

Sicher hingegen wirkt Q., der, ebenfalls als Zeuge im Saal, keine Angabe zur Sache machen will. Das Verfahren wird fortgesetzt. Am Dienstag, 21. Februar, sitzt ein Richter als Zeuge im Verhandlungsraum. Ulf Panzer, Richter im Ruhestand, ist vorgeladen.