Im amerikanischen Kalifornien ist längst umgesetzt, was die Hansestadt erst noch plant: Saubere Energie für die im Hafen liegenden Schiffe.

Hamburg. Zu kompliziert, zu teuer, zu viel Technik - Argumente gegen die Landstrom-Versorgung von großen Schiffen in Hamburg gibt es reichlich bei Diskussionen. Besonders der Reederverband lehnte Landstrom bisher ab. Doch wenn der politische Druck groß genug ist, funktioniert die Technik offenbar doch: Das versichern jedenfalls zwei Vertreter des Hafens von Los Angeles, die nach Hamburg gereist waren. Michael R. Christensen, ein groß gewachsener Ingenieur und so etwas wie der Entwicklungschef des Hafens sowie Aufsichtsratsmitglied und Vizepräsident der städtischen Hafengesellschaft Davíd Arian waren an die Elbe gekommen, um sich für eigene Expansionspläne das moderne Containerterminal Altenwerder anzuschauen. Doch da der mit Hamburg vergleichbar große Hafen an der US-Westküste als führend in Sachen Landstrom gilt, war auch das Thema bei den Treffen mit den Verantwortlichen der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) und Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos). Zumal auch in der Hansestadt die Stimmen immer lauter werden, die Maßnahmen gegen Schiffsabgase fordern. Im April nun will der Senat ein Konzept präsentieren, wie Landstrom und damit die saubere Energieversorgung umgesetzt werden könnten.

In L.A. ist man da schon weiter: Die Expansionspläne in Los Angeles und der Umweltschutz in ihrem Hafen hängen dabei sehr deutlich zusammen: "Der Druck aus der Bevölkerung war sehr groß", sagt Arian, ein ehemaliger Hafenarbeiter und führender Gewerkschafter mit dunkler Mütze, Schnurrbart und wachen braunen Augen, der gerne deutliche Worte wählt: 2000 Krebs-Tote durch die Rußpartikel aus den Abgasen von Trucks und Seeschiffen prangerten Umweltverbände vor einigen Jahren in L.A. an. "Das wird bei euch nicht anders sein", so Arian. "Todes-Diesel-Zone" nannten Umweltschützer den Hafen. Die Bewegung sei damals von den noblen Vororten in Bergen herunter zur Küste gekommen.

+++ Neuer Schiffs-Treibstoff +++

+++ Landstrom im Hafen - Behörde wagt neuen Anlauf +++

Sieben Jahre lang konnte der Hafen in den Jahren bis 2006 wegen der Proteste nicht mehr wachsen. Es sei dann eine Art Bewusstseinswandel eingetreten, der Hafen wurde nicht mehr allein als Geldmachmaschine für einige Firmen betrachtet. "Der Hafen gehört den Menschen von Kalifornien, den Steuerzahlern, und die wollen auch Verantwortung übernehmen", sagt Arian. Also beschloss 2006 die Hafengesellschaft einen Luftreinhalteplan mit Maßnahmen, die durch den Staat zu großen Teilen bezahlt werden. Aber auch über die Pachtgebühren und Mieten finanzierte der Hafen seine Umweltpläne: So wurde der Lkw-Betrieb im Hafen nahezu vollständig auf Batterie- und Hybrid-Fahrzeuge umgestellt. "Wir haben damit eine grüne Industrie initiiert, die wieder neue Jobs schafft", sagt Arian. Und heute gibt es in Los Angeles eine Landstrom-Versorgung (Shore-Power) an zwei Kreuzfahrtterminals, zehn weitere an den Terminals für Containerschiffe. Anfangs gab es Probleme mit Kabelanschlüssen und einer gesicherten Versorgung, als plötzlich von den Schiffen riesige Mengen abgenommen wurden. Doch inzwischen sei die Entwicklung weiter: 20 neue Anlagen sind daher in Bau oder Planung. Bis 2014, so der Plan, werden 26 der 30 großen Seeschiffplätze eine Landstrom-Möglichkeit haben, sagt Entwicklungschef Christensen, dessen Vorfahren aus Schleswig-Holstein stammen. Die Hälfte der Kreuzfahrtschiffe würde diese Technik bereits nutzen und nicht mehr wie filterlose Kraftwerke während der Liegezeiten ihre Abgase in die südkalifornische Luft pusten. Bei den Containerschiffen liege der Nutzungsgrad bei bisher knapp 20 Prozent der Schiffsanläufe - allerdings mit steigender Tendenz. Zudem sind in Kalifornien Regelungen in Planung, die für einen bestimmten Prozentsatz der Schiffe eine Landstrom-Versorgung zwingend vorschreiben werden.

Laut einer Siemens-Studie für Hamburg ist es vor allem das gefährliche Stickoxid, das belastend ist: Bei Produktion mit bordeigenen Maschinen liegt der Ausstoß an einem Kreuzfahrtterminal im Jahr bei etwa 54,4 Tonnen; die gleiche Strommenge würde, in einem Landkraftwerk erzeugt, hingegen nur 2,25 Tonnen freisetzen.

So weit wie Los Angeles ist Hamburg noch lange nicht: Allerdings wird der Senat bis zum April ein Konzept für Energie-Alternativen für Seeschiffe vorlegen, kündigte Wirtschaftssenator Horch kürzlich an. Derzeit empfiehlt eine spezielle Arbeitsgruppe des Senats zunächst die elektrische Energieversorgung für die beiden Kreuzfahrtterminals in der Stadt, die von immer mehr Passagierschiffen angelaufen werden. Jedenfalls für eine Übergangszeit, bis sich Flüssiggas als neuer und saubererer Treibstoff durchgesetzt habe.

Technisch machbar seien solche Landstrom-Anlagen, so heißt es in einem Protokoll, das dem Abendblatt vorliegt. Denkbar seien vor allem zwei Konzepte: entweder Strom von einer festen Quelle: von einem Kraftwerk. Oder der Einsatz von schwimmenden Stromquellen, sogenannten Power-Barges. Allerdings müssten die Übernahme der Kosten sowie ein wirtschaftlicher Betrieb noch geklärt werden, heißt es vorsichtig in dem Papier. Mit anderen Worten: Zu viel Kosten will man den Reedern offensichtlich nicht abverlangen; aus Angst, dass sie Hamburg nicht mehr anfahren werden. Los Angeles' Hafen-Vizepräsident David Arian denkt da robuster, zumal der Hafen an der Westküste der USA relativ konkurrenzlos ist: "Wenn die Schiffe nicht mitmachen - dann lass sie mit ihren Abgasen doch woanders fahren."