Das Gedenken an die Hamburger Sturmflut vor 50 Jahren schützt uns noch heute

Heute, auf den Tag genau vor 50 Jahren, rollte nach tagelangen Nordweststürmen mitten in der Nacht eine gewaltige Flutwelle von der Nordsee die Elbe hinauf und überraschte Zigtausende Hamburger, die in den südlichen Stadtgebieten noch in Lauben und Nissenhütten hausten, im Schlaf. Wie wir heute wissen, wurde die Bevölkerung nicht rechtzeitig vor der herannahenden Katastrophe gewarnt. 315 Menschen starben, mehr als 20 000 wurden obdachlos, ein Chaos entstand, das sich erst durch den beispiellosen Einsatz des späteren Bundeskanzlers Helmut Schmidt in eine effiziente Rettungs- und Hilfsaktion verwandelte.

Diese Sturmflut vom 16. und 17. Februar 1962 hat sich genauso im kollektiven Gedächtnis der Hamburger eingebrannt wie die sieben Angriffswellen der Alliierten im Sommer 1943 - die "Operation Gomorrha", der "Hamburger Feuersturm" -, die sich 2013 zum 70. Mal jähren werden. Mit einem Unterschied: Auch wenn wir mit einiger Sicherheit annehmen dürfen, dass uns auch jene fernen Kriegstage mit Medienberichten, Gedenkveranstaltungen, Ausstellungen und Aktionen in Erinnerung gerufen werden, so dürften aufgrund der menschlichen Lebenserwartung zumindest weniger Zeitzeugen zu Wort kommen.

Doch wie intensiv, wie lange und warum überhaupt soll man sich eigentlich erinnern? Nicht jeder hält das Gedenken an Vergangenes für gut und wichtig, sondern lebt lieber bewusst im Hier und Jetzt. Nicht wenige tun diese Erinnerungskultur als Zeitverschwendung ab.

So ist es in diesen Tagen fast unmöglich, der Sturmflut zu entrinnen. Im Norden jedenfalls. Denn jedes ernsthafte Medium - auch das Hamburger Abendblatt - beschäftigt sich weniger oder mehr mit diesem historischen Ereignis; in Sondersendungen im Radio und Fernsehen, mit Interviews und Schicksalsberichten, in Serien und Büchern.

Dieses breit gefächerte Echo in den Medien ist einerseits mit der Leidens- und Überlebenserfahrung zu erklären, die durch unsere maritime Mentalität geprägt wurde: Hamburg und das Meer waren nie voneinander zu trennen gewesen. Auch wenn die Nordsee gut 100 Kilometer entfernt ist, haben die Hamburger diese besonderen, küstenspezifischen Erfahrungen von Tod und Trauer, die mit der generell bedrohlichen Unberechenbarkeit von Wasser einhergehen, immer gemacht.

Außerdem sind Erinnerungen wichtig, denn sie dienen hervorragend als korrigierendes Element für die Gegenwart und die Zukunft: Denn erst als es der Elbe, der die Stadt schließlich ihren ursprünglichen Wohlstand verdankt, mitten im Wirtschaftswunderleben 1962 einfiel, ein Sechstel der Fläche Hamburgs zu überfluten und Tod und Zerstörung zu bringen, wurde man sich wieder bewusst, dass dieser Strom - begradigt, vertieft und eingedeicht - immer noch zur Natur gehört, die vom Menschen niemals völlig beherrscht werden kann.

Daher mahnt uns der 50. Jahrestag, sich auch in Zukunft der Gefahren von Sturmfluten bewusst zu sein - gerade weil die Zahl der Sturmfluten seit Jahrzehnten mit dem globalen Klimawandel enorm zunimmt. Auch wenn der Flutschock von 1962 mit einem verbesserten Hochwasserschutz eine technologisch orientierte Lösungsstrategie auslöste, die sich bisher als ausreichend erwiesen hat, muss das Ziel größtmöglicher Sicherheit weiter verfolgt werden - am besten mit lebendiger Erinnerungskultur.

Darüber hinaus dient das vielfältige Gedenken an die Hamburger Sturmflut auch der (Rück-)Besinnung auf einen bedeutsamen gesellschaftlichen Wert, der im Zeitalter der Ich-Gesellschaft oft in Vergessenheit gerät: Wie wichtig menschliche Solidarität ist, merkte man 1962 ab 0.07 Uhr, als in Hamburg-Neuenfelde der erste Deich brach. Der erste von 61.