Bezirksamts-Chef Schreiber zieht auf Druck von Bürgermeister Scholz die Konsequenz aus den Fehlern seiner Behörde

Hamburg. Es war der dramatische Höhepunkt in einem der größten Hamburger Skandale seit Jahren. Knapp vier Wochen nach dem Tod der elfjährigen Chantal ist der Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte, Markus Schreiber (SPD), am Freitag zurückgetreten. Er übernehme die politische Verantwortung und habe Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gebeten, ihn abzuberufen, sagte Schreiber. Am Tag zuvor hatte Scholz, der zunehmend selbst im Zielfeuer der Kritik stand, seinen Parteifreund zu diesem Schritt gedrängt. Auch der umstrittene Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses in Mitte, der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, gab am Freitagabend seinen Ausschuss-Vorsitz ab. Das bestätigte er im Abendblatt-Interview.

Chantal war am 16. Januar an einer Methadonvergiftung gestorben. Weil ihre Eltern drogensüchtig waren, hatte sie seit 2008 unter den Augen des Jugendamtes in einer Pflegefamilie in Wilhelmsburg gelebt. Das Amt hatte die Kinder jedoch in der Familie gelassen, obwohl ihm bekannt war, dass auch die Pflegeeltern Drogenprobleme hatten, den Ersatzstoff Methadon konsumierten und Kampfhunde hielten. Bezirksamtsleiter Schreiber hatte bereits seine Jugendamtsleiterin abgelöst. Zum Verhängnis wurde ihm in erster Linie sein Eingeständnis, dass er seit 2009 von deren Unfähigkeit überzeugt gewesen war. In dem Jahr war die unterernährte Lara-Mia (neun Monate) gestorben - auch in Wilhelmsburg und unter den Augen des Jugendamtes. Schreiber hatte die Amtsleiterin trotzdem auf ihrem Posten belassen. Seinen Rücktritt begründet er äußerst emotional.

"Der entsetzliche Tod eines elfjährigen Mädchens unter den Augen meines Jugendamtes, meines Bezirksamtes, belastet mich so stark, dass ich nicht weiter Bezirksamtsleiter sein will", sagte der 51-Jährige. Er wolle auch Schaden "vom Senat, vom Bürgermeister und von der Hamburger SPD" abwenden. Scholz nannte Schreibers Rücktritt "konsequent und in hohem Maße anständig".

Als Schreiber-Nachfolger ist der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Andy Grote im Gespräch. Vor einer Festlegung will die SPD Mitte Koalitionen mit anderen Parteien ausloten. Bislang regieren in Mitte wechselnde Mehrheiten. Die Opposition aus CDU, GAL, FDP und Linkspartei bezeichnete Schreibers Rücktritt als überfällig. CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich: "Es ist bemerkenswert, dass der Bürgermeister erst auf den massiven politischen und öffentlichen Druck reagiert hat, als er merkte, dass der Skandal ihm persönlich schadet."