Ein Kommentar von Christian-A. Thiel

Wer es wagt, sich im Radsport mit prominenten Dopingverdächtigen einzulassen, benötigt einen langen Atem. Die Fälle Lance Armstrong und Jan Ullrich, die beide längst ihre Karriere beendet haben, sind bis heute nicht abgeschlossen. Und in der Causa Alberto Contador, des dominierenden Radprofis der vergangenen Jahre, dauerte es ermüdende 18 Monate, bis gestern endlich ein Urteil vorlag.

Immerhin: Die unabhängigen Richter des Internationalen Sportgerichtshofs Cas haben Contador wegen missbräuchlicher Anwendung des Kälbermastmittels Clenbuterol für zwei Jahre aus dem Verkehr gezogen, auch wenn von diesem Strafmaß wegen andauernder Prozessverschleppung nur noch ein halbes Jahr übrig ist. Den Spanier wird der Schuldspruch treffen: Er verpasst die beiden Jahreshöhepunkte, die Tour de France und die olympischen Radrennen. Er ist in den Geschichtsbüchern als Dopingsünder gebrandmarkt, dem der Toursieg von 2010 und der Giro-Triumph 2011 aberkannt werden. Und er muss womöglich noch eine Geldstrafe in Millionenhöhe zahlen.

Dass die Spanier schäumen und das Urteil verdammen würden, war abzusehen. Sie wollen um jeden Preis eine erfolgreiche Sportnation bleiben - sei der Ruhm auch noch so befleckt. Aber dass auch der Weltverbandschef von einem "traurigen Tag für den Radsport" sprach, zeigt nur, wie gering die Selbstreinigungskräfte dieses Sports sind. Ob die Entfernung der Königsfigur vom Spielfeld die Szene zum Umdenken zwingt, darf bezweifelt werden.