Eine Glosse von Alexander Schuller

Das kleine Auto hustete weiße Rauchschwaden aus dem Auspuff, die Blinker flackerten nervös und die Bremsleuchten schwach. Drin saß eine junge Frau. Sie tastete sich aus dem Kornträgergang auf die Kaiser-Wilhelm-Straße in der Neustadt heraus. Sie wollte nach rechts, sie erspähte eine Lücke im dichten Verkehr - und würgte den Motor ab. Der sich daraufhin standhaft weigerte, wieder anzuspringen. Der Anlasser gab nur noch ein schwaches Röcheln von sich. Die junge Frau stieg mitten auf der Kaiser-Wilhelm-Straße aus und sah sich Hilfe suchend um. Zwei Männer in Anzügen sprangen aus ihren Autos. Der eine hatte hinter dem Kleinwagen gestanden, der andere gerade eine freie Parklücke entdeckt. Sie boten der jungen Frau an, Starthilfe zu leisten und ihr Auto anzuschieben, hügelabwärts, Richtung Rödingsmarkt. Ein dritter Fahrer kam hinzu, auch er bloß im Anzug, ohne Schal und Handschuhe trotz des eiskalten Windes.

Zu dritt schoben sie den Wagen an, zwei Startversuche, aber da war nichts zu machen. Der Kleinwagen musste jetzt sofort runter von der Straße. Also schoben sie ihn samt Fahrerin wieder zurück, rund 70 Meter bergan, und bugsierten ihn in die freie Parklücke, die der eine Mann der jungen Frau und ihrer Schrottlaube überließ. Nach etwa drei Minuten floss der Verkehr wieder, an der jungen Frau vorbei, die den ADAC anrief.

Das Verblüffende: Der Verkehr war völlig zum Erliegen gekommen. Doch niemand hatte gepöbelt, niemand hatte gehupt, alle Auto-, Bus-, Kurier- und Lkw-Fahrer hatten geduldig gewartet. Sibirische Kälte schweißt offensichtlich zusammen.