In leer stehenden Phoenix-Hallen sollen Künstler Räume für ihre Ateliers mieten. Die denkmalgeschützten Gebäude müssen saniert werden

Harburg. Hamburgs bedeutendste Ausstellung moderner Kunst, die Sammlung von Mäzen Harald Falckenberg, befindet sich bereits dort. Jetzt sollen auch Künstler die 33 000 Quadratmeter umfassenden alten Phoenix-Hallen, die seit 2007 leer stehen, nutzen, um in Ateliers ihre Werke zu schaffen. Geht es nach den Plänen von Ortspolitikern, so könnte hier, in Bahnhofsnähe ein Zentrum für die kreative Szene in den fast hundert Jahre alten, denkmalgeschützten Produktionsgebäuden der ehemaligen Phoenix-Gummiwerke entstehen. Vorbild ist das alte Hamburger Gängeviertel. Schon vor Jahren befasste sich Harburgs CDU mit der Zukunft der Hallen. CDU-Kreischef Ralf Dieter Fischer regte an, in den Gebäuden Ateliers und Treffpunkte für Künstler einzurichten: "Der Standort in unmittelbarer Nähe der Falckenberg-Sammlung ist attraktiv für Kunstschaffende." Nun haben FDP und SPD das Stadtteil-Potenzial der Hallen ebenfalls erkannt.

Im Stadtplanungsausschuss stellten sie ihren Antrag "Kreativwirtschaft auf dem ContiTech Areal" vor, der beinhaltet, Ateliers und Werkstätten dort zu installieren. Harburgs Baudezernent Jörg Heinrich Penner ist angetan von dem Plan. "Es gibt Verhandlungen mit einem möglichen Ankermieter, der sich für 3000 bis 5000 Quadratmeter Fläche interessiert." Ankermieter sind Hauptnutzer einer Gewerbeimmobilie.

Die Gebäude sind allerdings mit Schadstoffen belastet. In manchen Wänden stecken giftige Nitrosamine. "Wohnen kann man deshalb in den Hallen nicht, aber gewerbliche Nutzung ist möglich", sagt Penner.

Auch das Unternehmen Conti könne sich vorstellen, die Hallen an Kreativwirtschaftler zu vermieten, sagt Peter Scholtissek, Geschäftsführer der Phoenix Compounding Technology. Wesentliche Voraussetzungen dafür seien gegeben: Keine rechtlichen und praktischen Nutzungseinschränkungen durch die Nachbarschaft von Industrie und Kreativgewerbe und die notwendige Infrastruktur. Allerdings wolle das Unternehmen hauptsächlich großflächig verpachten. Außerdem möchte Conti nur mit einer Betreibergesellschaft kooperieren, bei der alle Verantwortung und Zuständigkeiten für das komplette Entwicklungs- und Vermietungsgeschäft liegen müssten.

Mit der Forderung von Atelierstandorten für Künstler liegt Harburg im Trend. Kultursenatorin Barbara Kisseler: "Die Stadt braucht dringend mehr Räume für Kreative, wenn sie im Wettbewerb der Metropolen attraktiv bleiben will." Eine zentrale Rolle spiele dabei die Hamburg Kreativ Gesellschaft. "Sie konnte allein 2011 rund 7000 Quadratmeter an Kunstschaffende vermitteln. Damit wird sie zu einem immer wichtigeren Ansprechpartner für die Kreativwirtschaft in der Hansestadt", sagt die Senatorin.

Die Hamburg Kreativ Gesellschaft ist sehr umtriebig: Bereits im November hat sie ein Gebäude auf dem Mediencampus Finkenau angemietet und Räumlichkeiten an 15 Künstler weitervermittelt. Vor wenigen Tagen mietete sie 530 Quadratmeter im ehemaligen Finanzamt Altona an. 16 Kunstschaffende und Gruppen aus der Kreativwirtschaft können diese Räume für die Dauer von drei Jahren nutzen.

"Die Nachfrage nach Flächen dieser Art ist groß. Alle Mieter wurden innerhalb von nur wenigen Tagen gefunden", sagt Geschäftsführer Egbert Rühl.

Jutta Lindberg, kulturpolitische Sprecherin der Harburger FDP, ist für ein Engagement der Kreativgesellschaft für die Phoenix-Hallen: "Die Zusammenführung vielfältiger kultureller sowie handwerklich-gewerblicher Aktivitäten könnte aus meiner Sicht eine geeignete Strategie sein, um an diesem prominenten, denkmalgeschützten Ort ein kompaktes Kultur- und Freizeitareal zu schaffen." In enger Zusammenarbeit mit der Hamburg Kreativ Gesellschaft könne ein realistisches Betreiberkonzept entwickelt werden.

Auf die Idee ist Geschäftsführer Rühl auch gekommen. "Vor etwa 14 Monaten haben wir mit dem Projektentwickler der Firma Conti Kontakt gehabt", so Rühl. Die Werkhallen seien ein spannendes Objekt, "aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen". Conti wolle nur großflächig vermieten - und "der Preis war schwierig". Künstler befürchten, dass es beim Leerstand bleiben werde. "Es sieht ganz so aus, als ob sich nichts tut", sagt Jürgen Havlik, der sich bei der Initiative "Alles wird schön" an der Friedrich-Naumann-Straße engagiert. 1992 wurde die Interessengemeinschaft gegründet. Kunst und Kultur in Heimfeld sollten gefördert werden. "Alles wird schön" hat sich inzwischen zum Stadtteilkulturzentrum entwickelt.

Längst sind die Räumlichkeiten zu klein geworden. "Manchmal müssen Gäste draußen bleiben, weil es hier drinnen zu eng ist. Auf Atelieranfragen können wir oftmals leider aus Platzgründen nicht eingehen", sagt Havlik. Also hat er sich mit einigen Mitstreitern auf die Suche nach größeren Domizilen gemacht - genau wie andere Harburger Initiativen auch. "Künstler im Stadtteil haben großes Interesse an einem Kreativstandort. Wieso sollte sich nicht eine Szene wie jene im Gängeviertel entwickeln - Harburg würde davon profitieren und nicht immer nur als Schmuddelecke wahrgenommen werden."