Eine ehemalige Pflegemutter erhebt schwere Vorwürfe gegen das Jugendamt

Hamburg. Hamburger Jugendämter parken Pflegekinder leichtfertig bei Familien, sind desinteressiert und völlig überlastet: Diese schweren Vorwürfe erhebt eine ehemalige Pflegemutter, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Die Frau hat sich jetzt beim Abendblatt gemeldet und ihren einige Jahre zurückliegenden Fall geschildert. Ist er symptomatisch für überlastete Jugendämter?

Zwei Jahre lang lebte ein 15-jähriges Mädchen bei der heute 49-Jährigen, die im Gesundheitswesen arbeitet, und ihrer Familie. Zuständig für die Betreuung, Begleitung und Beratung war damals das Jugendamt in Wandsbek. "Nachdem das Mädchen bei uns eingezogen war, hat uns das Jugendamt in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal besucht", sagt die zweifache Mutter. Ob es der 15-Jährigen, die psychisch sehr auffällig war, gut ging oder ob sie Probleme bei ihrer Pflegefamilie hatte, das habe die Behörde nicht interessiert. "Das ist nicht die Ausnahme, sondern kommt häufig vor", sagt Rolf Stöckel von der Deutschen Kinderhilfe. Diese fordert festgelegte regelmäßige Hausbesuche bei Pflegefamilien. Eine regelmäßige Kontrolle von Pflegefamilien - die 49-Jährige hat genau das Gegenteil erlebt. "Das Desinteresse des Jugendamts ist bereits beim ersten Gespräch deutlich geworden: Meine Eignung als Pflegemutter und unser finanzieller Hintergrund wurden von den Sozialpädagogen gar nicht erst infrage gestellt", erinnert sie sich. "Und die Besichtigung des Kinderzimmers musste ich der Mitarbeiterin des Jugendamtes fast aufnötigen. Ich hätte das Kind auch in einer Besenkammer wohnen lassen können."

Zudem kritisiert die ehemalige Pflegemutter, dass sie trotz mehrfachen Bittens keinen Rückhalt von der Behörde erhalten habe. "Dabei hätte ich auch mal kurzfristig Hilfe benötigt, da das Pflegekind nicht immer einfach war." Doch angekündigte Beratungstermine und Hilfestellungen kamen nur unter erschwerten Bedingungen zustande. "Weil es fast unmöglich war, einen Termin mit dem Jugendamt abzusprechen - entweder waren die Mitarbeiter krank, im Urlaub oder hatten keine Zeit." Sie und ihre Familie hätten sich häufig alleingelassen gefühlt. "Offensichtlich haben die Sozialpädagogen vom Jugendamt viel zu tun und sind personell so schlecht aufgestellt, dass Pflegekinder lediglich irgendwo geparkt werden", bemängelt die 49-Jährige. Es werde nicht genau hingeschaut, wem ein Pflegekind anvertraut wird, das in der Regel schwere traumatische Erlebnisse in der Vergangenheit hatte.

"Es wird den Pflegeeltern viel zu leicht gemacht, ein Kind zu bekommen - vor allem wenn es sich um Verwandte handelt." Das Fazit der ehemaligen Pflegemutter fällt dementsprechend negativ aus. "Wenn alle Pflegefamilien so ungeprüft und unkontrolliert ausgewählt werden, ist es nicht verwunderlich, wenn auch absolut ungeeignete Pflegeeltern ihr Budget mit dem Pflegegeld aufbessern."