Das Risiko, dass die Haut dünner wird, sei minimal, sagt Peter Höger. Ärzte setzen Wirkstoffe der vierten Generation ein

Über Besonderheiten der Neurodermitis-Behandlung bei Kindern und die Ängste vieler Eltern vor Medikamenten sprach das Abendblatt mit Professor Peter Höger, Kinder- und Hautarzt vom Wilhelmstift.

Hamburger Abendblatt:

Warum sind Babys und Kleinkinder viel häufiger von Neurodermitis betroffen als Jugendliche und Erwachsene?

Prof. Peter Höger:

Nach der Geburt kommen Babys mit einer Fülle von Allergenen und Keimen in Kontakt. Da ihr Körper noch keine schützende Immu- nität aufgebaut hat, ist er grundsätzlich anfällig für Infektionen; bei Säuglingen mit Neurodermitis kommt noch hinzu, dass die Barrierefunktion ihrer Haut gestört ist. Deshalb haben es Ekzeme in den ersten Lebensjahren leichter, in Erscheinung zu treten.

Hamburger Abendblatt:

Muss Neurodermitis bei Babys und Kleinkindern anders behandelt werden als bei Älteren?

Prof. Peter Höger:

Ja. Bestimmte Stoffe, die von Älteren gut vertragen werden, können bei Jüngeren Beschwerden auslösen. Zum Beispiel Urea, ein hauteigener Stoff, der Feuchtigkeit bindet und in künstlich erzeugter Form in vielen Pflegelotionen enthalten ist. Bei Säuglingen und Kleinkindern kann Urea die Haut röten und zu Juckreiz führen. Deshalb sollte man Urea-Cremes erst ab dem dritten Lebensjahr einsetzen.

Ekzeme werden bei einer Neurodermitis mit Kortison behandelt. Das sehen viele Eltern kritisch, weil sie Nebenwirkungen befürchten, zum Beispiel, dass die Haut dünner wird.

Höger:

Diese Sorge kann ich den Eltern nehmen. Bei Kindern setzen wir mittlerweile Kortison-Präparate der vierten Generation ein. Das Risiko, dass die Haut dünner wird und dass die Wirkstoffe durch die Haut in den Körper gelangen, ist sehr gering im Vergleich zu älteren Produkten. Studien haben gezeigt: Wenn man diese neuen Medikamente nur ein bis drei Wochen täglich einsetzt und dann sehr langsam ausschleichend, reduziert sich die Anzahl der Entzündungsschübe auf ein Achtel. Der frühzeitige Einsatz dieser Mittel verbessert die Prognose von Neurodermitis erheblich. Allerdings verschreiben einige Hautärzte immer noch ältere Produkte mit Wirkstoffen wie Triamcinolon, die den schlechten Ruf dieser Substanzen begründet haben, weil sie die Haut schon nach kurzer Zeit tatsächlich dünner machen können. Eltern sollten also genau nachfragen.

Weit verbreitet ist der Glaube, Neurodermitis gehe immer einher mit einer Nahrungsmittelallergie.

Höger:

Ja, aber das ist eben ein Irrtum. Von den Kindern mit der schwersten Form der Neurodermitis - das sind etwa fünf Prozent aller Fälle - haben nur etwa 35 Prozent eine Nahrungsmittelallergie. Es gibt viele Patienten, bei denen es auch ohne Allergie zu Entzündungen der Haut kommt. Zunächst sollten Eltern also mit einem Kinder- oder Hautarzt besprechen, ob ein Test überhaupt notwendig ist. Viele informieren sich aber nur im Internet. Dort empfehlen selbst ernannte Experten zum Teil obskure Diäten. Wenn die Eltern aber wichtige Nahrungsmittel ohne ärztliche Anleitung einfach so weglassen, kann dies insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern gefährliche Folgen haben. Dabei gibt es auch für scheinbar sehr problematische Fälle einfache Lösungen: Wenn bei einem Baby etwa eine Allergie gegen Kuhmilch festgestellt wird, kann man als Ersatz sogenannte Vollhydrolysate geben.

Alle Kinder mit Neurodermitis leiden unter einem mehr oder weniger starken Juckreiz. Sie kratzen sich teilweise so stark, dass die Haut blutet. Wie sollten Eltern damit umgehen?

Höger:

Die Haut juckt vor allem, wenn sie stark gerötet ist. Dann hilft es, die Kinder zu baden und mit einer möglichst wasserreichen Lotion einzucremen. Eher weniger baden sollte man Kinder, wenn ihre Haut nicht gerötet und nur trocken ist. Die richtige Anwendung von Cremes und sogenannten fett-feuchten Verbänden vermitteln wir Eltern bei Neurodermitis-Schulungen.