Nach der Realschule beginnt eine 16-Jährige eine Ausbildung bei einem Gericht. Sie wird übernommen, bleibt insgesamt 13 Jahre dort. Einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommt sie nicht, stattdessen 13 Befristungen - und dann ist plötzlich Schluss für sie. Ihr 13. Vertrag wird nicht verlängert, das war's. Die Geschichte von Bianca Kücük ist sicherlich ungewöhnlich, aber sie zeigt anschaulich, wie sich der deutsche Arbeitsmarkt in den vergangenen zehn Jahren gewandelt hat. Langfristige Festanstellungen mit Sozialversicherungspflicht sind längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Fristverträge, Teilzeitjobs und Leiharbeit bestimmen den Alltag in deutschen Unternehmen.

Flexibilität heißt das Zauberwort, mit dem Firmen, aber auch Behörden Kosten sparen wollen. Prinzipiell ist dagegen nichts einzuwenden. Denn effiziente Produktion sichert langfristig Jobs, und schlanke Behörden helfen Steuergeld sparen. Allerdings kann es nicht sein, dass die Flexibilität nur den Interessen der Arbeitgeber dient. Fast jeder zweite neue Arbeitsvertrag, der im Jahr 2010 geschlossen wurde, war befristet. Die Zahl der Leiharbeiter steuert auf die Marke von einer Million zu. Viele Beschäftigte können weder finanziell noch familiär längerfristig planen, weil sie nicht wissen, ob oder wo genau sie in einem Jahr noch beschäftigt sind.

13 befristete Verlängerungen eines Arbeitsvertrags sind nicht nur indiskutabel, sie sind zynisch. Bleibt zu hoffen, dass die deutschen Richter, die nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über den Fall von Bianca Kücük nochmals verhandeln müssen, dies genauso sehen. Im Interesse aller Arbeitnehmer.