Viert- und Sechstklässler in Hamburg erfahren heute aus den Zeugnissen zum Halbjahr, wie es mit ihrer Schullaufbahn im Sommer weitergeht.

Hamburg. Viele Schüler nehmen das Halbjahreszeugnis, das heute verteilt wird, nicht übermäßig ernst. Für sie zählt eher, dass sie ein verlängertes Wochenende haben, weil am Montag schulfrei ist. Und bis zum "richtigen Zeugnis" im Sommer ist es ja noch lange hin. Für viele Eltern in Hamburg allerdings ist es ein aufregender Freitag: Die 14 158 Viertklässler an den 216 Grundschulen erhalten heute zusätzlich zu ihrem Zeugnis eine Schullaufbahnempfehlung. Und auch für etliche der 6539 Sechstklässler an den 59 staatlichen und elf privaten Gymnasien kommt heute ein Warnschuss: Sie erhalten von der Schule die Information, ob sie ihre weitere Schulzeit voraussichtlich am Gymnasium fortsetzen können oder ob eine Umschulung an eine Stadtteilschule für sie sinnvoll wäre.

Die Viertklässler der 195 staatlichen und 21 privaten Hamburger Grundschulen müssen sich in der kommenden Woche (31. Januar bis 6. Februar) für die fünften Klassen an den weiterführenden Schulen anmelden. Für viele Eltern eine sehr schwierige Entscheidung. Michael Hartwig, Vorsitzender der Elternkammer, rät: "Man sollte die Schulwahl sorgfältig überdenken. Eltern sollten die Empfehlung ernst nehmen, aber sie haben auch ihr eigenes Bild von ihrem Kind. Lehrer liegen nicht immer richtig."

+++ Schüler und Eltern protestieren gegen Halbierung ihrer Schule +++

+++ Sorgentelefon für Schüler +++

Die Schulbehörde erhebt zwar keine Statistiken darüber, wie viele Gymnasialempfehlungen die Grundschulen aussprechen, laut einer Anfrage an den Senat erhielten in den vergangenen Jahren aber jeweils um 44 Prozent der Viertklässler eine Gymnasialempfehlung. Viele Eltern entschieden dann trotzdem nach eigenem Gutdünken: Im Schuljahr 2009/2010 hatten 20,7 Prozent der Fünftklässler, die an einem Hamburger Gymnasium angemeldet waren, keine entsprechende Empfehlung. "Manche, die eine Gymnasialempfehlung haben, scheitern, andere, die keine haben, packen es", sagt Elternkammerchef Hartwig. Im vergangenen Jahr hatten 645 Schülerinnen und Schüler in Hamburg zum Halbjahr eine sogenannte Abschulungswarnung bekommen, 329 mussten dann im Sommer 2011 tatsächlich auf eine Stadtteilschule wechseln. Nach Angaben von Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde, waren das 4,5 Prozent der Sechstklässler.

Für Bildungssenator Ties Rabe (SPD) ist der freie Elternwille bei der Wahl der weiterführenden Schule ein wichtiges Gut, er sagt aber: "Ich finde, man sollte die Empfehlung ernst nehmen, denn die Lehrer haben die Grundschüler in der Regel über ein lange Zeit begleitet. Umgekehrt gilt aber: Kinder können sich entwickeln."

Bei der Herbst-Schulstatistik zeigte sich, dass in Klasse 5 noch 52 Prozent der Fünftklässler ein Gymnasium besuchen, 48 eine Stadtteilschule. "In Klasse 7 sind 53 Prozent auf der Stadtteilschule und 47 auf dem Gymnasium", so Ties Rabe.

Die Bildungsbehörde hat unter seiner Führung das Empfehlungsschreiben für Viertklässler seit vergangenem Jahr etwas modifiziert. "Die Schullaufbahnempfehlung sieht jetzt für leistungsstarke Schüler vor, dass sie gleichberechtigt für Gymnasium und Stadtteilschule empfohlen werden. Im letzten Jahr wurden leistungsschwache Schüler zur Stadtteilschule empfohlen, leistungsstarke nur zum Gymnasium", sagt Peter Albrecht. Dies war auf Kritik etwa von der Elternkammer gestoßen, weil Stadtteilschulen sehr wohl eine empfehlenswerte Alternative für leistungsstarke Schüler sein können.

Renate Just, Schulleiterin des Gymnasiums Bondenwald in Niendorf, blickt recht optimistisch in das zweite Halbjahr. "Bei der Klasse 6a schaffen es wohl alle 27 Schüler. Bei den zwei weiteren sechsten Klassen gibt es je ein Kind, das sich nicht verschlechtern darf, und zwei Kinder, bei denen es ein bisschen kritisch ist." Wenn ein Kind beispielsweise drei Vieren in Deutsch, Mathe und Englisch habe, dürfe es sich nicht verschlechtern, sagt Just. Sei auch eine Fünf dabei, müsse sich der Schüler auf jeden Fall verbessern. Sie führe bei den Anmelderunden immer lange Gespräche, sagt die Schulleiterin. Sie nehme auch Kinder ohne Empfehlung auf, aber "ich gucke mir die Kinder und ihre Eltern immer ganz genau an. Mit manchen spreche ich viermal."

Den Eltern von Sechstklässlern rät die Schulbehörde, sich im Bedarfsfall schon jetzt mit ihrem Kindern nach einer neuen Schule umzusehen. "Jetzt hat man die Zeit, sich zu kümmern, im Sommer sind die Stadtteilschulen dicht", sagt Peter Albrecht.