Datenschutzbeauftragter sieht Überwachung im öffentlichen Raum kritisch, räumt aber Nutzen in Bus und Bahn ein

Hamburg. Der Bürger, das gläserne Wesen. Ob im Bus, im Supermarkt, auf dem Amt oder im Fußballstadion - Räume, bei denen nicht auf Schritt und Tritt Videoüberwachung aktiv ist, werden immer seltener. Allein die öffentlichen Stellen und Behörden überwachen die Hamburger mit insgesamt 2100 Kameras, an den städtischen Schulen sind sogar 333 elektronische Augen aktiv. Hinzu kommen rund 8000 Kameras, die an den Haltestellen und in den Verkehrsmitteln des öffentlichen Nahverkehrs installiert sind. Das geht aus der Senats-Antwort auf eine Kleine Anfrage des FDP-Datenschutzexperten Finn Ole Ritter hervor.

Betrieb und Instandhaltung der 2100 Kameras kosten demnach jährlich über eine Million Euro. "Es bleibt völlig offen, ob diesem erheblichen Aufwand ein entsprechender Nutzen gegenübersteht", sagt Ritter. Geradezu grotesk sei es da, dass eine einzelne Webcam zur Internationalen Bauausstellung (IBA) bislang 19 000 Euro verschlungen habe. Spitzenreiter der im Zuge der Anfrage erfassten Behörden ist die Justizbehörde mit 45, zum Teil schwenkbaren und zoomfähigen Kameras - das liegt allerdings an der aus Sicherheitsgründen nötigen Überwachung der Gerichtsgebäude. Andere Behörden wie die Wissenschafts- und Gesundheitsbehörde verzichten hingegen komplett auf Kameras.

Ob und wo eine Videokontrolle legitim ist, untersuchen gegenwärtig der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar und seine Mitarbeiter. Auf Betreiben Caspars war im September 2010 das Hamburgische Datenschutzgesetz geändert worden. Grund: Etliche Kameras waren ohne Rechtsgrundlage von den Behörden und Ämtern in Betrieb genommen worden. "Die Videoüberwachung stellt einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar. Im Extremfall können aufgezeichnete Bilder zu Bewegungs- und Verhaltensprofilen verdichtet werden", sagte Caspar damals. Seit der Gesetzesänderung sind die öffentlichen Stellen verpflichtet, genau anzugeben, zu welchem Zweck, mit welcher Kennzeichnung und mit welcher Speicherdauer die Bilder produziert werden.

43 öffentliche Stellen und Behörden hätten bisher 1147 Kameras gemeldet. "Wir haben bereits viele Rückmeldungen erhalten", sagt Caspar, "aber es sind noch längst nicht alle." Seine Behörde arbeite mit Hochdruck daran, sich einen genauen Überblick über den Einsatz von Videoüberwachungsanlagen in öffentlichen Einrichtungen zu verschaffen, so Caspar. Problematisch sei das aber, weil seine Behörde über nur begrenzte personelle Ressourcen verfüge.

Es sei durchaus nachvollziehbar, dass Behörden und öffentliche Stellen eine Überwachung für erforderlich halten - nur müsse das mit Blick auf die schweren Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Caspar sagt, hier und da habe er bereits Diskrepanzen zwischen dem Hamburgischen Datenschutzgesetz und der tatsächlichen Überwachungspraxis festgestellt. "Wenn Kameras an Amtsgebäuden nicht nur den Eingangsbereich, sondern auch noch den Gehweg überwachen, dann ist das natürlich mit den Bestimmungen des Datenschutzes nicht vereinbar", sagt Caspar. Ebenso wäre etwa eine Videoüberwachung im Bereich von Friedhöfen weder sinnvoll noch legitim, selbst wenn diese zum Beispiel das Ziel verfolge, Metalldiebe zu überführen. "Kameras würden die Täter nicht von ihren Taten abhalten, stattdessen würden etliche Trauernde erfasst, die völlig verdachtsunabhängig in eine Überwachung geraten."

Mehr als 10 000 Kameras überwachen die Hamburger, darin noch nicht eingerechnet sind die Kameras privater Betreiber. Für Unternehmen wie den Flughafen oder die Hamburger Hochbahn gelten indes andere datenschutzrechtliche Voraussetzungen als etwa für die Polizei, zumal die Unternehmen sich auf eine mögliche drohende Verletzung des Hausrechts berufen können.

In manchen Bereichen erfüllt die Überwachung durchaus ihren Zweck. 5370 Kameras sind in den Bussen, den U- Bahnen, an den Haltestellen und den Bahnsteigen der Hamburger Hochbahn montiert. Sie liefern, wenn es Hinweise auf ein Delikt gibt, gestochen scharfe Bilder, die bei der Überführung des Täters und als Beweismittel vor Gericht immer häufiger eine entscheidende Rolle spielen. "Wir konnten durch die Videoüberwachung in den öffentlichen Nahverkehrsmitteln eine Vielzahl von Straftaten aufklären, oftmals helfen die Bilder auch bei unseren Öffentlichkeitsfahndungen", sagt Polizeisprecher Mirko Streiber. Die Erfolge hingen auch mit der immer besseren Qualität der Videoaufzeichnungen zusammen.

Dort, wo es wirklich sinnvoll ist - und nur dort - findet auch Caspar die Videoüberwachung angebracht. "Gerade die Kameras in den öffentlichen Nahverkehrsmitteln sorgen dafür, dass sich mancher Bürger sicherer fühlt."