Hamburg. Wenn am Sonnabend der 63. Presseball im Hotel Atlantic stattfindet, markiert das inoffiziell den Beginn der hanseatischen Ballsaison 2012. Und offiziell kommen dann auch wieder alle Vorurteile zum Tragen, die man sich so in puncto Gesellschaftstanz in den vergangenen Jahren ins persönliche Archiv gepackt hat: Vor dem inneren Auge stolzieren die wohlsituierten Herren aufs Parkett, treten bei flottem Discofox der Dame sehr selbstbewusst mindestens einmal zu viel auf die jüngst erworbenen Schuhe. Und mancher Gast wirkt im großen Rahmen fast etwas verloren ... Wie die meisten Klischees stimmt auch dieses nicht (oder nur teilweise). Doch ein paar Wahrheiten schlummern da schon.

Eine nicht ganz ernst gemeinte Typisierung der Hamburger Ballbesucher:

Der Debütant

Der Debütant/die Debütantin hat schon vor Ballbeginn einen großen Vorteil: Als Erstbesucher zahlt er/sie nicht selbst. Denn Debütanten werden ordnungsgemäß von den stolzen Eltern gezwungen, äh ... eingeladen. Geht es diesen doch um die Nachwuchspräsentation. Debütanten erkennt man daran, dass sie öfter das Gesicht verziehen, was an völlig normalen Selbstzweifeln der Altersklasse liegt. Fragen wirbeln ihnen anstelle von Tanzschritten durch den Kopf: Ist der Smoking wirklich cool? Wo sind die Jungs zum Flirten? Einige Gläser Sekt später hat sich die Lage dann normalisiert. Die Party kann losgehen.

Der Profi

Der Vorteil des männlichen Profi- Ballbesuchers ist: Er zahlt nicht selbst. Die Kosten für die Eintrittskarte werden vom Firmenkonto abgebucht. Für den geübten Besucher ist ein Ball ein gesellschaftliches Pflichtereignis, bei dem man sich sehen lässt. Zu identifizieren sind die Herren daran, dass sie sehr laut sprechen, schnell Wein nachordern, ab 22 Uhr die Smokingjacke ausziehen und den Fuß über das andere Knie legen. Grundsätzlich besteht für diese Gruppe kein immenser Unterschied, ob sie nun auf dem Golfplatz einen Ball schlagen oder auf einem solchen tanzen sollen. Geschäfte können sie sowieso überall machen.

Die Gattin des Profis

Auch sie muss nicht selbst zahlen, denn da ist ja das Firmenkonto des Ehemanns. Die begleitende Dame lächelt und treibt die Unterhaltung geschickt voran, weiß sie doch um die Relevanz der zu vertiefenden Kontakte. Jedoch lassen sich zwei Kategorien hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes unterscheiden: a) die Damen, die durch alle Boutiquen getobt sind, um die ersehnte Unikat- Robe zu ergattern, und b) diejenigen, für die es ein horribles Erlebnis war, Gummistiefel und Wachsjacke gegen das eng anliegende Abendkleid zu tauschen. Als Strafe fordern sie ihren Gatten vor Publikum zum Tanz.

Die Überzeugungstäter

Die passionierten Ballbesucher zahlen selbst. Sie kommen als Paar, freiwillig und gern. Sie wollen keine Fäden ziehen, sondern Kreise auf der Tanzfläche. Jedes Jahr belegen sie Auffrischkurse in Tanzschulen, sie kennen die neusten Kniffe bei Foxtrott und Rumba. Für sie ist der mühsame Teil einer Ballnacht der mit den Reden. Spätestens beim Eröffnungstanz wippen sie mit den Füßen im Takt, gierig, aufs Parkett zu kommen. Sie kennen die wichtigste Ballregel: Komme nie hungrig! Eine andere ignorieren sie: Wechselnde Partner sind beim Tanzen Pflicht. Als "Dauertanzpaar" schwofen sie durch die Nacht.

Die Zufallsgäste

Meistens ist es eine spontan geschenkte Eintrittskarte, die diese "Verirrten" auf einen Ball katapultiert. Die Zufallsgäste sind gleichermaßen Männer und Frauen. Für Mitglieder dieser Gruppe ist es das Größte, Besucher zu treffen, die ihr Schicksal teilen. Was passieren kann, finden sich doch diese Personen gern am "Restetisch" wieder. Nun hoffen sie entweder auf die göttliche Fügung, dass dies der Abend ihres Lebens werden könnte, oder wenigstens auf guten Rotwein. Oder auf beides. Meist landen sie an der Bar und freunden sich in Windeseile mit dem Barkeeper an. Ihr Taxi nach Hause zahlen sie allerdings selbst.