Grundschulreform geht besorgten Eltern zu schnell

Veränderungen erfordern Mut und Pioniergeist. Manche Menschen haben beides. Andere sehen zuerst das Risiko des Scheiterns statt der Chancen. Dass viele Eltern eher zu den Bedenkenträgern gehören, ist verständlich, geht es doch um die Zukunft ihrer Kinder. Der Protest gegen die Grundschulreform ist massiv. Aber ist er auch gerechtfertigt? Nein.

Sicher, mit der Einführung der ganztägigen Bildung und Betreuung wird sich das Schulleben von Hamburgs Grundschülern in den kommenden Jahren stark verändern. Vormittags Unterricht, nachmittags Betreuung an der Schule oder Freizeit und Unterricht gemischt, je nach Schulform. Der Senat hat den ehrgeizigen Plan, die Ganztagsgrundschule bis 2013/2014 flächendeckend einzuführen. In Zukunft haben alle Grundschüler - auch die, die weniger privilegiert sind - dieselben Möglichkeiten, nachmittags in ihrer Schule betreut zu werden, dort Sport- und Musikkurse zu belegen. Unabhängig vom Kita-Gutscheinsystem, unabhängig vom Einkommen der Eltern; unabhängig davon, ob die Eltern berufstätig sind und nicht die Zeit haben, ihre Kinder nachmittags zu diversen Kursen bringen können. Diese Reform ist gut.

Den Kritikern geht sie allerdings zu schnell, weil vieles noch nicht geklärt ist. Dazu gehört die schlechte Raumsituation an den Schulen, das fehlende Fachpersonal. Die Sorgen sind berechtigt. Aber: Am Anfang muss improvisiert werden, da läuft einiges noch holprig. Dann wird eben im Klassenzimmer Mittag gegessen und nicht in der Mensa. Es gibt Schulleiter und Lehrer, die das kuschelig finden. Auch wenn es das eigene Kind trifft, das in dieser Umbruchphase eingeschult wird, zählen doch das große Ganze und das Schulleben zukünftiger Generationen. Der erste Schritt muss irgendwann getan werden. Und die ganztägige Grundschule, das sagen wissenschaftliche Studien, ist die Schulform der Zukunft.

Bedeutender als die perfekte Infrastruktur ist, was Eltern und Lehrer aus dem nicht ganz Perfekten machen. Deshalb ist es auf Seiten der Behörden notwendig, die Lehrer zu unterstützen, sie fortzubilden, sie für das Neue zu begeistern. Denn die Pädagogen sind es, die Lust an der Arbeit haben müssen. Also: Habt mehr Mut und Pioniergeist!