Für den Westen darf es nicht nur um Gas und Öl gehen

Fast genau ein Jahr ist es her, dass mit dem Sturz des tunesischen Diktators Ben Ali der Arabische Frühling eine Region zu verändern begann, die sich selbst schon mit ihrer Erstarrung abgefunden zu haben schien. Aber längst nicht alle Hoffnungen haben sich erfüllt. Wenn Bundesaußenminister Westerwelle in diesen Tagen die Maghreb-Staaten bereist, bietet sich ihm ein ganz unterschiedliches Bild.

In Marokko und Algerien hat sich am wenigsten getan. Die Regierungen versuchen sich mit zaghaften Reformen an der Macht zu halten. Libyer, Tunesier und Ägypter sind zwar ihre Diktatoren los. Zugleich liegt ihre Wirtschaft am Boden, gewinnen Islamisten Wahlen, sind stabile Verhältnisse noch nicht absehbar. Diese herzustellen, muss die Hauptaufgabe des Westens und damit auch Deutschlands sein. Das erfordert mehr, als sich im Geschäft mit den begehrten Rohstoffen Öl und Gas wieder in Position zu bringen. Gewiss werden ohne ökonomische Fortschritte auch keine politischen zu erwarten sein. Hilfe ist aber vor allem auch beim Aufbau einer funktionierenden Verwaltung und einer demokratischen Gesellschaft insgesamt gefragt.

Das sind zwar Investitionen, die keinen unmittelbaren Gewinn abwerfen. Gelingt es aber nicht, Tunesien, Libyen und Ägypten zu stabilisieren und voranzubringen, werden diese Pioniere des arabischen Wandels ihren Brüdern und Schwestern von Marokko bis in den Jemen kaum mehr als Vorbilder erscheinen. Vor allem wird auch die Situation in Syrien prekär bleiben. Diktator Assad geht weiter brutal gegen sein eigenes Volk vor und kann dabei auf unsichere Verhältnisse in der Nachbarschaft und angeblich einsickernde Terroristen verweisen. Die Arabische Liga ist mehr daran interessiert, den Westen und die Uno von diesem Konflikt fernzuhalten, als dass sie ihn lösen könnte. Diese wiederum steht angesichts russischer Protektion für Damaskus und der komplizierten Verhältnisse in Syrien mehr oder weniger ratlos vor dem Problem.

Ein Frühling ist eben nur ein Anfang und auch kein Dauerzustand. Damit aus ihm etwas erwächst, bedarf es noch vieler helfender Hände.