Eine Glosse von Alexander Schuller

Es kommt ja beinahe zwangsläufig vor, dass der Mensch irgendwann einmal das Alter sowie den Umfang erreicht, woraufhin er das drängende Gefühl entwickelt, etwas tun zu müssen. Für die Ästhetik. Ein Blick in den Spiegel sollte diesen Eindruck bestärken, das Betreten der elektronischen Waage im Bad erst recht.

Diese Waage war ein Weihnachtsgeschenk und sehr, sehr teuer. Dafür misst sie den Fett- und Wasseranteil des Körpers und gibt ungefragt Aufschluss über den "Body-Maß-Index"; vor allem aber zeigt sie aufs Gramm genau das Körpergewicht an. Und da handelte es sich um eine schier unglaubliche, schreckliche dreistellige Zahl. Aber das KONNTE einfach nicht sein. Nicht nach drei quälenden Monaten FdH, weitgehendem Verzicht auf Alkohol sowie Fahrradfahrten ins Büro bei Wind und Wetter.

Die Aufnahmegebühr im Fitnessstudio war dann ebenfalls dreistellig. Doch nicht nur das schmerzte, sondern vor allem der Körper nach den ersten beiden Trainingseinheiten. Erstaunlich, wo der Mensch überall Muskeln besitzt...

Am Freitag dann entdeckte ich sie, versteckt hinter einem künstlichen Buchsbäumchen: eine Standwaage, das klassische Modell, mit Rundskala und Zeiger. Mutig stieg ich drauf, schloss die Augen und... tja, was soll ich sagen: Zehn Kilogramm Gewichtsverlust - in nur drei Tagen! Ein biologisches Wunder! Oder doch bloß ein Marketingtrick des Fitnessklubs? - Falsch. Das Geheimnis der purzelnden Pfunde steckte in einem fehlerhaften elektronischen Bauteil des Hightech-Geräts. Jetzt steht wieder Omas Waage im Bad. Die mit Rundskala und Zeiger - und dem kleinen Rädchen, hervorragend geeignet zum Schummeln.