Der Junge erleidet schwerste Verbrennungen und liegt auf der Intensivstation. 1004 Einsätze der Feuerwehr in der Neujahrsnacht.

Hamburg. Es sollte ein fröhlicher Silvesterabend werden: Die Eltern hatten ihre Kinder Diego, 4, und seinen Bruder, 6, bei einer Babysitterin und ihrem Lebensgefährten gelassen. Als sie spazieren gingen, kam es zu einem tragischen Unglück. Plötzlich explodierte ein Feuerwerkskörper im Jackenausschnitt des Vierjährigen aus Francop. Er trug schwerste Verbrennungen am Hals davon. Diego M. wird auf der Intensivstation des Kinderkrankenhauses Wilhelmstift behandelt. Die Ärzte befürchten, dass Diego bei der Explosion bleibende Schäden erlitt.

Die Kripo ging zunächst von einem Unfall aus: Die Babysitterin sollte im Seevetaler Ortsteil Maschen am Nachmittag einen Böller so unglücklich in die Luft geworfen haben, dass er sich in der Jacke des Vierjährigen verfing. Bei der Befragung durch die Polizei gingen die Angaben der beiden Jungen allerdings auseinander. Der verletzte Vierjährige gab an, dass ein Erwachsener den Feuerwerkskörper hochgeworfen habe. Sein sechs Jahre alter Bruder behauptet hingegen, dass der Gegenstand aus einer Gruppe Jugendlicher kam. Am Montag sollten die Babysitterin und ihr Lebensgefährten vernommen werden. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass jemand den Feuerwerkskörper vorsätzlich auf den Jungen warf.

Der Fall ist einer der schwersten des Jahreswechsels 2011/2012 und doch nicht der einzige, bei dem Minderjährige Opfer allzu leichtfertigen Umgangs mit Raketen und Böllern wurden: "Besonders hervorzuheben sind leider die teilweise schweren Verletzungen mehrerer Kinder und Jugendlicher durch Feuerwerkskörper", sagte Feuerwehrsprecher Hendrik Frese am Neujahrsmorgen. Der erste Eindruck deute darauf hin, dass Silvester mehr Minderjährige als in den vergangenen Jahren durch Feuerwerk verletzt wurden.

Ein zehn Jahre altes Kind wurde in Steilshoop von einem Böller im Gesicht getroffen, ein zwölfjähriges auf gleiche Weise in der Innenstadt verletzt. Ein zwei Jahre altes Kleinkind wurde am Arm von einer Rakete getroffen und zog sich leichte Verbrennungen zu. In Kirchwerder wurde ein 17-Jähriger beim Bau einer Rauchbombe im Gartenhaus seiner Eltern im Gesicht verbrannt. Als er einen Chemikaliencocktail über einem Bunsenbrenner erhitzte, explodierte das Gemisch. Noch ist nicht sicher, ob sein Augenlicht gerettet werden kann.

Alles in allem spricht die Feuerwehr allerdings von einer "durchschnittlichen Silvesternacht". Die Beamten an den Feuer- und Rettungswachen mussten von 18 Uhr am Abend bis 6 Uhr am Neujahrsmorgen zu 1004 Einsätzen ausrücken - fast 100 weniger als vor einem Jahr. Während die Zahl der Rettungseinsätze leicht sank, stieg die Zahl der Brände im Vergleich zum Vorjahr - darunter vor allem sogenannte Kleinfeuer, beispielsweise brennende Mülltonnen und Balkone. Größere Feuer waren selten. Neben einigen Wohnungsbränden wurde die Feuerwehr um kurz nach Mitternacht auch an die Landungsbrücken gerufen: Das Dach eines Beach-Clubs stand in Flammen, konnte aber schnell gelöscht werden.

Die Polizei musste in der Silvesternacht mehr als 1200-mal eingreifen und nahm fast 2400 Anrufe an. "Aufgrund der Wetterlage gab es aber keine besonderen Vorkommnisse", sagte Polizeisprecher Andreas Schöpflin. Viele Hamburger seien wegen des Nieselregens und des Nebels nur kurz zum Abfeuern der Raketen auf die Straße gegangen und danach schnell in die Wohnungen und Klubs zurückgekehrt. Tausende ließen sich dennoch nicht vom Feiern im Freien abhalten: An den Landungsbrücken begrüßten 15.000 Menschen das neue Jahr, auf dem Kiez kamen fast 50.000 Menschen zusammen.

Blutig endete die Silvesterparty für zwei junge Männer vor einer Diskothek am Hermann-Buck-Weg in Steilshoop. Nach einem blutigen Streit zwischen zwei Gruppen mussten zwei 18- und 22-Jährige mit Stichverletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Die Hintergründe der Tat sind nicht bekannt, die Mordkommission ermittelt wegen versuchter Tötung. Vom Täter fehlt bislang jede Spur. "Wir sind dabei, unter den Gästen der Silvesterfeier nach Zeugen zu suchen", sagte ein Sprecher der Hamburger Polizei am Montag.

Am S-Bahnhof Jungfernstieg gingen gegen 1 Uhr mehrere Personen mit Messern aufeinander los. Zwei Männer im Alter von 30 und 39 Jahren erlitten Verletzungen und wurden ambulant im Krankenhaus behandelt, wie die Bundespolizei mitteilte. Die Beamten stellten sieben Messer sicher und nahmen einige Männer vorübergehend in Gewahrsam, nachdem sich der Streit auf den Neuen Wall verlagert hatte. Bei einer Schlägerei in Wandsbek wurde ein 25-Jähriger schwer verletzt.

Um kurz vor 1 Uhr musste sogar der Verfassungsschutz ermitteln: Unbekannte hatten Molotowcocktails auf ein Haus am Borstelmannsweg in Hamm geworfen, in dem ein Gemüseladen, ein Reisebüro und ein Gebetsraum sind. Einer der Brandsätze durchschlug eine Glastür. Die Molotowcocktails erloschen, ohne weiteren Schaden anzurichten. Die Polizei geht von einem politisch motivierten Anschlag aus.