Die Hamburger Stadtreinigung räumt in der Neujahrsnacht 30 Tonnen Müll weg. Manche Mitarbeiter kamen vom Feiern direkt zum Dienst.

Hamburg. Neujahr, 3 Uhr morgens, St. Pauli-Landungsbrücken: Schnapsleichenzeit. "Wirklich, du musst dich übergeben. Dann geht's dir besser", empfiehlt ein mittelstark alkoholisierter Jugendlicher seiner sehr stark alkoholisierten Freundin. Doch die bedauernswerte junge Frau versteht ihn nicht. Sie ist kognitiv nicht aufnahmefähig. Außerdem rumpeln neben dem Pärchen Hunderte Sektflaschen lautstark über den Asphalt und erschweren die Kommunikation. So sieht das aus am Neujahrsmorgen, wenn am Rand der großen Feier später Rausch auf frühes Räumkommando trifft.

Mit einem Besen treibt Pehlivan Musa nebenan einen beeindruckenden Berg Glasgerümpel vor sich her. Er trägt orangefarbene Arbeitskluft, ist 42 Jahre alt und seit 17 Jahren bei der Stadtreinigung. "Nach 2000 ist das mein zweiter Silvestereinsatz", sagt er. "Geschlafen habe ich nicht. Ich bin nach der Feier gleich zur Arbeit." Als einer von 50 diensthabenden Mitarbeitern der Stadtreinigung gehört er zu den Ersten, die das Müllchaos der Silvesternacht lichten. Landungsbrücken, Reeperbahn, Innenstadt, Alster - die traditionell hoch frequentierten Treffpunkte des Jahreswechsels sind schon drei Stunden nach Mitternacht fest in der Hand der Stadtreinigung. "Zunächst geht es darum, die Verkehrssicherheit wieder herzustellen", sagt Gruppenleiter Timo Stoll. Diese Priorität bestimme den Arbeitsablauf. Vor allem Raketenbatterien und riesige Sekt- und Champagnerflaschen sind ernste Hindernisse. Frühstück gibt's um 10 Uhr, die Schicht endet am Nachmittag.

"Es ist jedes Jahr schwer, genügend Männer zusammenzubekommen", sagt Timo Stoll, 39. Darum fegt auch er, eigentlich "Schreibtischtäter", an den Landungsbrücken mit. "Maschinengestützte Gehwegreinigung" nennt sich das händische Zusammenschieben des Mülls, bevor der Kehrwagen Hako 2000 die Haufen aufnimmt und sie zu einem sogenannten Presswagen bringt. 30 Tonnen Silvestermüll sind im ersten Schub an den Kerntreffpunkten zusammengekommen. Das entspreche in etwa der Menge des Vorjahres.

"Am unangenehmsten lassen sich die Raketenstiele und aufgeweichtes Papier fegen", sagt Philip Sternberg. "Das kriegt die Kehrmaschine nicht hin. Da muss man mit der Hand ran." Auch er ist eigentlich Gruppenleiter, es ist sein erster Silvestereinsatz. "Ich habe ein bisschen vorgeschlafen, um Mitternacht mit meiner Frau Maren und unserem Sohn Hanno angestoßen und arbeite jetzt bis zum Nachmittag", sagt der 35-Jährige. Danach sei er zwar wieder bettreif, aber irgendwer müsse den Job ja machen. Immerhin versüße ein Zuschlag den ungeliebten Dienst.

Vom Partyvolk werden die Straßenfeger kaum wahrgenommen. "Und wenn, dann zollen uns die Leute eher Respekt", sagt Gruppenleiter Timo Stoll. Gepöbelt werde eher selten. Und so torkeln die letzten Silvesterhardliner brav an den Landungsbrücken vorbei in Richtung Fischmarkt. Denn dieser Jahreswechsel - mit Neujahr am Sonntag - bot den Sonderfall des anschließenden Fischmarkttrubels. Und die Stadtreinigung musste zweimal anrücken. Erst die Böller der Nacht räumen, dann die morgendlichen Marktreste.