Herbert Fandel, 46, war Schiedsrichter bei der Fußball-EM 2008. Der Pianist leitet die zuständige Kommission im DFB.

Hamburger Abendblatt:

1. Wie beurteilen Sie die Leistung der Schiedsrichter bei der WM?

Herbert Fandel:

Unterschiedlich. Wir hatten einen Topbeginn, der Usbeke Rawschan Irmatow hat das Eröffnungsspiel souverän geleitet. Auch Wolfgang Stark, der Argentinier Héctor Baldassi und viele andere haben sehr überzeugend gepfiffen. In den letzten Tagen gab es Schiedsrichter, die zu Recht kritisiert wurden. Aber wir reden unterm Strich über Einzelfälle. Dass viele Spiele sehr geräuschlos über die Bühne gegangen sind, interessiert hinterher leider niemanden.

2. Können Sie übers Turnier eine klare Linie bei den Entscheidungen erkennen?

Genau das ist das Problem. Die Diskrepanz zwischen Kleinlichkeit und Großzügigkeit ist mir persönlich ein bisschen zu groß. Aber das sollte man nicht von einem Spiel abhängig machen. Für eine abschließende Bewertung ist es noch zu früh.

3. Den Amerikanern wurde gegen Slowenien ein offenbar reguläres Tor aberkannt, Neuseeland hat gegen Italien wohl einen Abseitstreffer erzielt, dem 2:0 Brasiliens gegen die Elfenbeinküste ging ein Handspiel voraus. Spricht das nicht für den Videobeweis oder zusätzliche Torschiedsrichter?

Um Gottes willen, nein! Die Szenen, die sich einwandfrei übers Video lösen lassen, sind rar. Bei Handspielen etwa werden 95 Prozent im Ermessensspielraum bleiben, da gibt es einfach unterschiedliche Auffassungen. Dass Partien mitunter durch Fehler entschieden werden, damit müssen Vereine und Verbände im Fußball seit mehr als 100 Jahren leben. Zusätzliche Schiedsrichter einzuführen würde nur bedeuten, die Fehlerquelle zu verlagern. Im Europapokal gibt es Torschiedsrichter, aber glauben Sie nicht, dass nicht auch Szenen falsch beurteilt wurden, nur weil drei Leute draufgeschaut haben. Wenn man aber das Spiel mechanisiert und die Menschen gänzlich aus dem Verkehr zieht, ist es nicht mehr der Sport, den ich haben will.

4. Bei der WM ist nicht mehr als ein Schiedsrichter pro Land erlaubt. Ein sinnvolles Modell?

Wenn ich eine Weltmeisterschaft haben will, bei der Schiedsrichter aus aller Welt vertreten sind, ja. Wenn man nur die Besten dabeihaben wollte, kämen sicher mehr Schiedsrichter aus Ländern mit großen Profi-Ligen zum Zuge. Aber ich habe durchaus Verständnis für das praktizierte Modell.

5. Hat es die deutsche Mannschaft im Spiel gegen Serbien versäumt, sich rechtzeitig auf den Schiedsrichter einzustellen?

Ja. Bei allem, was man diskutieren kann, hätte man das von unseren tollen Nationalspielern erwarten müssen. Schiedsrichterleistungen werden leider oft und gern genommen, um sich dahinter zu verstecken. Erst recht, wenn man verloren hat.