Der fünf Jahre alte Asiatische Elefant Thai zieht nach Heidelberg. Dort entsteht Deutschlands erste Jungbullen-WG, anfangs mit drei Bullen.

Hamburg. Thai macht die Biege. Hat den Rüssel voll vom Familiengedudel. Mit einem Vater, der ihm jede Chance bei den Mädchen vermasselt. Einer Mutter, die einfach nicht loslassen will. Und drei kleinen Geschwistern, die total nerven.

Er muss hier raus. Eine eigene Bude, verschwiegene Kumpels, Party machen. Nur gut, dass es jetzt so weit ist: Anfang der Woche kommt der Schwertransporter, und der fünf Jahre alte Asiatische Elefant aus Hagenbecks Tierpark darf zum ersten Mal in seinem Leben verreisen. Es geht nach Heidelberg, wo in diesen Tagen Deutschlands erste Jungbullengruppe aufgebaut wird.

Wer Thai Tschüs sagen möchte, kann es an diesem Wochenende bei Hagenbeck tun. Dort steht der junge Elefant - leicht zu erkennen an den kleinen Stoßzähnen - gleich im ersten Gehege am Eingang und wartet auf Leckerbissen der grünen Art. "Er ist ein ganz Lieber, wir sind stolz auf ihn", sagt Reviertierpfleger Thorsten Köhrmann über seinen Schützling, den er seit der Geburt am 26. November 2004 begleitet.

Ein ganz Lieber, das will bei einem Elefantenbullen was heißen. Bis heute können Thorsten Köhrmann und zwei Kollegen zu Thai auf die Anlage. Der Elefant folgt ihren Befehlen, genießt es, beschmust und gekitzelt zu werden. Das ist das Ergebnis einer ebenso liebevollen wie konsequenten Erziehung. "Wie bei Menschenkindern auch", sagt Thorsten Köhrmann. Egal, ob Mensch oder Elefant, am Anfang sind sie vor allem niedlich. So auch Thai.

In Halbschwester Kandy fand er die ideale Spielgefährtin, die beiden waren zwei Jahre lang die unangefochtenen Stars bei Hagenbeck. Aber dann kam es hart für Thai. Halbschwester Shila wurde geboren und raubte ihm die süße Prinzenrolle. Das wäre ja noch hinnehmbar gewesen, aber leider erwies sie sich für deftige Jungs-Rangelspiele als zu zart. Thai aber wollte sich reiben und ausprobieren. Einmal kam Thorsten Köhrmann morgens in den Stall und fand Thai blutend vor. Köhrmann: "Er muss sich mit einer Kuh richtig in den Flicken gehabt haben, denn wenig später verlor er erst den linken und dann den rechten Stoßzahn." Glück im Unglück: Die Nerven waren nicht beschädigt, die Zähne wuchsen nach.

Als dann noch Thais Mutter Thura wieder trächtig war und er der Geburt auf keinen Fall beiwohnen sollte, musste etwas geschehen. Die Idee: Die familiäre Bande wird entzerrt. Die Folge: Zimmerwechsel für Thai. Heraus aus dem gemeinsamen Wohn- und Schlafzimmer, ab ins Jugendzimmer - und Tür zu. Das war im Herbst 2008. Anders als in der freien Wildbahn, wo Jungbullen die Herde ohne Aussicht auf Rückkehr verlassen, war diese Tür allerdings nie ganz geschlossen. "Thai hatte immer Rüssel- und Augenkontakt. Und miteinander kommunizieren können die Tiere auch über größere Entfernung", sagt Thorsten Köhrmann. Die Lösung war nicht perfekt, hatte aber den Vorteil, dass Thai gefahrfrei vor sich hin flegeln und die nachwachsenden Stoßzähne in den Sand bohren konnte. Damit ist jetzt Schluss. "Wir freuen uns sehr auf Thai", sagt Heidelbergs Zoodirektor Klaus Wünnemann. Er entwickelte die Idee einer Jungbullengruppe, der ersten in Deutschland. Sie wird gebraucht, denn mehr als einen Bullen können die meisten Zoos nicht halten. Das Ziel der Heidelberger ist es nun, die Tiere mehrere Jahre lang durch intensive Arbeit mit einer hohen Sozialkompetenz auszustatten. Mit zehn bis 15 Lebensjahren sollen sie in einem anderen Zoo als Zuchtbulle eine Herde übernehmen. Thai macht in wenigen Tagen den Anfang, kurz darauf werden ihm der gleichaltrige Tarak aus Hannover und der acht Jahre alte Voi Nam aus Leipzig folgen. Das neue Elefantenhaus in Heidelberg ist auf vier Tiere ausgelegt.

"Wir wollen aber zunächst mit den drei Jungbullen starten und erst mal sehen, wie sich die Gruppe entwickelt", so Wünnemann, der das Teenie-Trio in den ersten Tagen zugunsten einer ruhigen Eingewöhnung unter Verschluss halten wird. Thai und seine Kumpels erwartet in Heidelberg eine WG mit einer mehr als 1000 Quadratmeter großen Innenfreianlage mit Pool und beheizbarem Sandboden. Außerdem eine 2000 Quadratmeter große Außenanlage.

Klingt wie eine Luxusherberge, aber die gibt es nicht umsonst. Damit die Jungbullen vor Kraft und Langeweile nicht anfangen, Unfug zu machen, müssen sie arbeiten. "Die Elefanten werden auch weiter trainiert und müssen sich ihr Futter verdienen, indem sie es suchen oder sich danach recken müssen", sagt Zoodirektor Wünnemann.

"Wir sind traurig und froh zugleich", sagt Thorsten Köhrmann mit Blick auf den jungen Bullen, der von der ganzen Aufregung noch nichts merkt.

Auch viele Zoobesucher werden ihn vermissen. Drei kleine Elefanten aber nicht: Shila, Shahrukh und Rani sind die Gewinner dieses Umzugs. Die Anlage, die Thai frei macht, wird ihr Futterplatz sein. Dort werden sie ungestört fressen können, zurzeit müssen sie sich mit den großen Kühen das Futter teilen - und die fressen immer das Beste weg.