Die Forscherin der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht in Amerika trotz der Ölkatastrophe keine strategische Neuorientierung in wichtigen Energiefragen

Mit dem Untergang der Explorationsplattform Deepwater Horizon stehen die USA vor der größten Ölkatastrophe in ihrer Geschichte. Nach jüngsten Schätzungen können täglich bis zu 4,8 Millionen Liter Rohöl ins Meer geflossen sein. Die wirtschaftlichen Folgekosten werden mehrstellige Milliardenbeträge erreichen, von den Kosten für die Umwelt ganz zu schweigen. Doch obwohl Präsident Barack Obama jetzt die Katastrophe zum Anlass genommen hat, in seiner Rede an die Nation für eine "saubere Energiezukunft" zu werben, wird das Unglück eine schnelle Umorientierung der US-Energiepolitik nicht vorantreiben.

Barack Obama, der "grüne" Präsident, will die USA auf einen kohlenstoffarmen Wachstumspfad führen: Erneuerbare Energien sollen künftig Öl, Gas und Kohle ersetzen. Eine bessere Energieinfrastruktur soll den hohen Verbrauch drosseln. Dass nach einer Umfrage von CBS News nun nur noch 40 Prozent der Amerikaner eine Intensivierung der Ölförderung in US-Gewässern befürworten, schien die Katastrophe im Golf von Mexiko ein neues Momentum für die festgefahrene Klimapolitik der Obama-Administration zu bedeuten.

Doch, wenn überhaupt, ist die politische Lage jetzt noch komplizierter geworden. Öl werde wichtiger Bestandteil der US-Energiepolitik bleiben, hat Innenminister Ken Salazar bereits erklärt. Denn die USA sind abhängig von dem Rohstoff. Sie decken damit fast 40 Prozent ihres Energiekonsums. Knapp ein Drittel der eigenen Ölproduktion stammt aus der Offshore-Förderung. Einnahmen aus diesen bundesstaatlich lizenzierten Aktivitäten summierten sich 2009 auf rund sechs Milliarden Dollar - willkommene Gelder angesichts der prekären Haushaltslage.

Außerdem ist die Ölindustrie ein wichtiger Arbeitgeber. Daher hatte Obama das Fördermoratorium, das sein Vorgänger George W. Bush 2008 aufgehoben hatte, nicht wieder eingesetzt, sondern im März ausgewählte Gebiete zur Förderung freigegeben. Und er hatte dem Vorschlag der Senatoren John Kerry und Joe Lieberman zugestimmt, Offshore-Förderung in das seit Monaten im Senat anhängige Klimagesetz aufzunehmen.

Gerade was dieses Klimagesetz betrifft, wird Obama nun kein politisches Kapital aus der Krise schlagen können. Ohne eine Intensivierung der Offshore-Förderung werden es die Republikaner im Senat weiter blockieren. Bleibt die Intensivierung aber im Gesetz, drohen Obama Stimmen aus den eigenen Reihen wegzubrechen: Zehn demokratische Senatoren aus Küstenstaaten protestierten bereits vehement. Inzwischen wurde der Vorschlag angepasst. Die Bundesstaaten sollen über die Zulassung von Bohrvorhaben entscheiden können, wenn diese weniger als 75 Meilen vom Ufer entfernt sind. Und der Gesetzestext lockt mit finanziellem Köder: Die Küstenstaaten sollen 37,5 Prozent der Einnahmen aus der Lizenzvergabe erhalten. Doch die Gemüter im Senat haben diese Zugeständnisse nicht beruhigt.

Zudem droht Obamas Krisenmanagement zum Wahlkampfthema zu werden. Bei den Kongresswahlen im November standen den Demokraten schon vor der Ölkatastrophe herbe Verluste bevor. Jetzt sind trotz immenser Anstrengungen bei der Bekämpfung der Ölpest viele Amerikaner immer unzufriedener mit der Leistung ihrer Regierung. Dabei hilft es dem Präsidenten nicht, dass er politisch rasch auf die Katastrophe reagiert hat.

Die Chefin des US Mineral Management Service (MMS), die Behörde des Innenministeriums, die für die Lizenzierung und Prüfung der Fördervorhaben zuständig ist, wurde entlassen. Der MMS selbst wird umfassend umstrukturiert. Darüber hinaus hatte Obamas Team schon im Mai einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der Finanzhilfen für die betroffenen Bundesstaaten vorsieht. Bis neue Sicherheitsstandards erlassen werden, gilt ein Moratorium für neue Bohrungen in der Tiefsee. Zudem soll BP für die gesamten Schadenersatzforderungen haftbar gemacht werden. Der staatliche Oil Spill Liability Trust Fund soll aufgestockt und die Steuern auf die Ölförderung erhöht werden - um nur einige Maßnahmen zu nennen.

Doch diese umfassende und notwendige Agenda lässt kaum noch Zeit für das Klimagesetz. Statt die Vorlage von Kerry und Liebermann zu debattieren, hält der Kongress fast täglich Anhörungen im Senat zur Ölkatastrophe ab. Das ist zwar verständlich. Aber damit rückt die Abstimmung über das Klimagesetz - und eine grundlegende Umorientierung der US-Energiepolitik - wieder in weite Ferne.