Eine Glosse von Nico Binde

Gepriesener Fußballgott, heute möchte ich nicht in einer nationalen Angelegenheit vorsprechen, sondern in einer persönlichen. Wir müssen über morgen reden, genauer gesagt über die Zeit zwischen 13.30 und 15.30 Uhr. Deutschland gegen Serbien, du erinnerst dich?

Ich weiß, den Ausgang des Spiels entscheidest du nach Tagesform. Aber könntest du vielleicht meinem Chef gemütsschonend beibringen, dass ich aus gegebenem Anlass intellektuell wie körperlich nur eingeschränkt einsatzfähig bin? Den Einwand, ich könnte in gewohnt routinierter Weise betriebsame Geschäftigkeit simulieren, lasse ich dieses Mal nicht gelten, denn morgen genügt mir das nicht.

Ich möchte offen zu den drei Emotionen eines Mannes stehen können. Ich möchte stumpfe Wut und primitive Freude, in absoluten Ausnahmefällen auch stille Trauer, uneingeschränkt ausleben. Und weil Aufschreien, Hadern und Wimmern im Büro nur begrenzt sozial verträglich sind, bitte ich dich: Lass meinen Chef Verständnis haben. Ich möchte nicht dauernd mein Fußballhormon-geschütteltes Ich zur Räson rufen. Ich möchte mich ungezwungen vor einem Farbfernsehgerät lümmeln. (Nein, danke der Nachfrage, kühles Bier ist nicht nötig.) Aber ich möchte den Stift gegen eine Vuvuzela tauschen. Und ich möchte im Rausch der drei Gefühle Rudi-Völler-Zitate wie "Was meine Frisur betrifft, da bin ich Realist" vor mich hin murmeln dürfen.

Und weil ich mich gerade so in Rage wünsche: Könntest du bitte denjenigen, der sich Anstoßzeiten wie 13.30 Uhr ausgedacht hat, sagen wir, zum Mond schießen?