Auf dem Heiligengeistfeld feiern Fans von überall her auf dem Boulevard der Nationen. Internationale Begeisterung dominiert.

Freitag, 16.47 Uhr, Heiligengeistfeld. Jetzt geht's los! Und wie. Mit einem Jubelorkan wird das weltmeisterliche Premierentor der Südafrikaner gefeiert. Die Party hat begonnen, und mit ein bisschen Fortune steigert sie sich tagtäglich - bis zum finalen Kick in vier Wochen. Die Ouvertüre macht Lust auf mehr: 9000 Besucher, überwiegend fantasievoll kostümiert und lautstark präsent, produzieren schon zum Auftakt ein Feuerwerk allerbester Laune. Da das Wetter wohl mitspielt, werden am Sonntag mehrere zehntausend Party- und Sportsfreunde erwartet.

Es passte ins Bild internationaler Begeisterung, dass zum Anpfiff bunte Vielfalt dominiert. Fans von überall her, zumindest das Herz betreffend, liegen sich in den Armen. Epizentrum ansteckenden Frohsinns ist der Boulevard der Nationen ein paar Meter abseits des Riesenmonitors, dem übrigens nur großzügige Menschen die versprochenen 70 Quadratmeter Fläche zumessen.

Dass Fantasie zum Geschäft gehört, beweist auch das Gros der Budenbesatzungen höchst kreativ. 28 der 32 WM-Länder zeigen, dass es beim Fußball mehr gibt als nur Bier & Bratwurst.

Zwar zeigt sich die Crew im Zelt Südafrikas ob des Andrangs noch gereizt, doch lassen sich die Gäste nicht anstecken. Grillspezialitäten vom Kap der guten Hoffnung finden starken Absatz. "Laduma!" skandiert Eventmanager Ben Sabrowsky im Chor mit seinen südafrikanischen Freundinnen und Freunden. Der gebürtige Hamburger, dessen Eltern in Johannesburg leben, ist Fan der Orlando Pirates in Soweto. Sein Trikot mit Totenkopf spiegelt die Fußball-Gesinnung wider, passend zur Heimat des FC St. Pauli.

Auch Charmel Africa, der Name sagt alles, stammt aus Soweto. Ihr favorisiertes Team sind die Kaizer Chiefs. Doch heute ist Daumendrücken für die Nationalmannschaft angesagt. Gemeinsam mit einem Dutzend Landsleuten, allesamt Tänzer oder Sänger des Musicals "König der Löwen" in Hamburg. "Das ist heute ein großartiger Tag für Südafrika", sagt Nonhle Beryl Makhaya. "Ich bin sehr stolz auf mein Land." Unabhängig vom Resultat will sie am Abend ihren 16-jährigen Bruder PJ Makhaya auf der anderen Seite der Erdkugel anrufen. Der Junge spielt aktiv in Reihen des Nestville Football Clubs. Zur Feier des Tages hat sich Nonhle die Fingernägel in den Farben Südafrikas lackiert.

Kollege Mbuso Ndlouo schwenkt die Fahne seines Landes, tanzt euphorisch auf der Piazza und animiert eine Gruppe deutscher Fans zum Mitmachen. Das Trio aus Hanstedt in der Nordheide lässt sich nicht lange bitten. "So muss es sein!" frohlockt Charmel Africa. "Wir sind alles Brüder, und der Ball schafft Verbindungen." Die Halbzeitführung ihres Teams wird lautstark gewürdigt: "Laduma! Tor!"

Angesichts der famosen Stimmung beteiligen sich Außenstehende nur zu gerne. Am Stand Paraguays steppen die Fans im Takt der "Los Paraguayos". Einer musiziert auf einer selbst geschnitzten indianischen Harfe, ein anderer auf der Gitarre, der Rest des Quintetts schmettert südafrikanische Lieder. Parallel glückt Diana das Kunststück, einen mit Mate gefüllten Tonkrug namens Galopera tanzend auf dem Kopf zu balancieren. Für diese weltmeisterliche Darbietung erntet sie Beifall der Umstehenden.

Zu denen ein zurückhaltender Herr zählt, der sich erst auf Nachfrage als Grandseigneur des Fußballs zu erkennen gibt. Es ist Romerito, ungekrönter König Südamerikas, daheim ein Idol mit 21 Volltreffern in 35 Länderspielen. "Bei der WM 1986 in Mexiko war ich dabei", erzählt er. Zwei Tore gegen den damaligen Gastgeber und den Irak sind in Paraguay bis heute unvergessen. Bei einem Cocktail berichtet Romerito von großen Kickertagen, vom Zusammenspiel mit Pelé, dem Pokalsieg mit dem FC Barcelona unter Trainer Johan Cruyff und Doppelpässen mit Franz Beckenbauer in Reihen von Cosmos New York. "Herzliche Grüße an Uwe Seeler", ruft Senor Romerito zum Abschied. Geht klar.

Während die Liegestühle im benachbarten Beach-Club ob der steifen Brise zumeist leer bleiben, steht die Kundschaft am Cocktailtresen Schlange. Kein Wunder, kostet "Sex on the beach" doch nur sechs Euro. Wer keinen Pfirsichlikör schätzt, tankt am deutschen Stand, dem zweitgrößten vor Ort, Flüssiges deutscher Brauart. "Wir nutzen die Gunst der Stunde", sagt Miguel aus Hamburg-Berne. "Übermorgen kommen wir wieder - dann wird hier der Teufel los sein." Grund genug, in Ruhe einen Aussie-Burger für 2,50 Euro einzuwerfen. Freundin Verena favorisiert Süßes aus Nordafrika. Anschließend versuchen sich beide beim Torwand-Schießen. Sechs Schüsse kosten 2,50 Euro, und wer alle versenkt, gewinnt 300 Euro.

Derweil die Party im vollen Gange. Nur einer hockt im Abseits: Joshua Raudies, sonst in der vierten Klasse der Gesamtschule Eppendorf aktiv, quittiert den Rückstand seiner Mexikaner mit herabhängenden Mundwinkeln - im Kontrast zum nach oben stehenden Sombrero. "2:1 für Mexiko", tippt er dennoch, trotzig auf sein grünes Trikot deutend. Was Mutter Yolanda mit allen möglichen Aufheiterungsversuchen nicht gelingt, glückt den mittelamerikanischen Profis um 17.41 Uhr. Tor! 1:1. Ein Resultat, das am Ende alle feiern lässt. Im Einklang mit Anhängern Uruguays und Frankreichs, die auf den Platz strömen. Fröhlich geht die Fiesta weiter.