Viel schlimmer als der Tod ist manchmal nur die Vorstellung davon, wie einem selbst der letzte Atemzug denn wohl vergönnt sei. Niemand wünscht sich, dass dieses Ende, wenn es ansteht, auf unmenschliche Art hinausgezögert wird. So auch nicht die verzweifelte Tochter, die am Sterbebett ihrer Mutter den Schlauch der Magensonde durchschnitt. Die Tochter steht nicht vor Gericht, zu Recht. Wohl aber ihr Anwalt, der zu dieser letzten Liebestat geraten hat, nachdem das Pflegeheim sich geweigert hatte, der Anordnung des Hausarztes zu folgen und die Sondenernährung einzustellen. Am 25. Juni urteilt der Bundesgerichtshof über den Fall.

Es wäre absurd, die Empfehlung des Anwalts als versuchten Totschlag hinzustellen. Unser Rechtsstaat braucht zwar Gewissheit, gerade in komplizierten Zweifelsfällen. Doch es bleibt ein ungelöstes Dilemma: Auch höchste Rechtsexperten werden nie in der Lage sein, Paragrafen zu finden, die jedem Einzelfall am Sterbebett gerecht werden.

Ja, die Juristen sollten sich sogar heraushalten, wenn es um den Einsatz von Kliniktechnik in einer fürs Überleben aussichtslosen Lage geht. Dann zählen nur der letzte Wille des Todkranken und der Rat verständnisvoller Mediziner. Der richtige Grundsatz "Im Zweifel für das Leben" verblasst, wenn es nur darum geht, Leben in Würde enden zu lassen. Des Menschen letzter Augenblick ist zu intim, um ihn allein Juristen anzulasten.