Rückwirkend zum 1. April steigt die Hamburger Innung des Kfz-Handwerks mit ihren rund 350 Betrieben aus dem Flächentarifvertrag aus.

Hamburg. Die Nachricht erreichte die Gewerkschaft per Fax. In einem einseitigen Schreiben kündigte die Hamburger Innung des Kfz-Handwerks rückwirkend zum 1. April ihren Abschied aus dem Flächentarifvertrag für ihre rund 350 Mitgliedsbetriebe an. Unternehmen, die unverändert an Flächentarifverträgen interessiert seien, müssten in den Landesverband wechseln, der künftig mit den Gewerkschaften die Tarife verhandele. Alle übrigen Mitglieder seien in Zukunft ohne Tarifbindung - kurz "OT".

Die IG Metall Küste befürchtet nun eine massive Tarifflucht insbesondere kleinerer Hamburger Kfz-Händler und Werkstätten, die nach Gewerkschaftsangaben etwa 3000 der insgesamt 6000 Mitarbeiter in der Branche beschäftigen. Die übrigen rund 3000 Beschäftigten arbeiten in den Niederlassungen der großen Autobauer wie VW, Mercedes oder BMW - und blieben "hoffentlich" auch in Zukunft in der Tarifbindung.

"Die Tarifflucht spaltet die Branche und führt zu schlechteren Arbeitsbedingungen", sagt Friedhelm Ahrens, zuständiger IG-Metall-Sekretär. "Es drohen eine Kürzung der Löhne, längere Arbeitszeiten sowie ein geringeres Urlaubs- und Weihnachtsgeld", warnt Ahrens.

So will beispielsweise der Hamburger Autohändler Hugo Pfohe nach Informationen der Gewerkschaft die Wochenarbeitszeiten seiner Mitarbeiter zum Mai um zwei auf 38 Stunden verlängern, den Urlaub von 30 auf 25 Tage verkürzen und das Weihnachtsgeld streichen. "Wir raten allen Mitarbeitern ab, die neuen Verträge zu unterschreiben", so Ahrens. Das Autohaus Pfohe wollte sich gestern auf Anfrage nicht zu Tariffragen äußern.

Der Austritt der Hamburger Kfz-Innung aus der Tarifbindung wurde auf Wunsch der Mehrheit der Mitglieder beschlossen, erläutert der Geschäftsführer Martin Rumpff. "Gerade in Krisenzeiten wünschen sich die Betriebe mehr Gestaltungsfreiheit." Viele Betriebe hätten mit einem Austritt aus der Innung gedroht, andere - wie das Autohaus Dello - seien bereits ausgetreten. Also sah man sich zu dem Schritt gezwungen, der in vielen anderen Bundesländern schon vor Jahren vollzogen wurde. "Wir wollen unsere Mitglieder im Verband behalten. Dies darf nicht an der Tarifpflicht scheitern", argumentiert Rumpff. Gleichzeitig rechnet der Innungschef nicht mit drastischen Lohnkürzungen. "Ich gehe davon aus, dass viele Betriebe ihre Verträge freiwillig am Tarifniveau orientieren. Es geht hier nicht um Lohnsenkungen, sondern um Flexibilisierung."

Noch steht nach Angaben des Innungsgeschäftsführers nicht fest, wie viele Mitglieder sich aus der Tarifpflicht verabschieden. Dies zeige sich spätestens am 10. Mai. Für diesen Tag ist das erste Treffen der aktuellen Lohn- und Gehaltstarifrunde für das Kfz-Gewerbe in Hamburg terminiert. Bisher verdienen die gewerblichen Mitarbeiter laut IG Metall zwischen 2356 und 2923 Euro brutto im Monat plus Weihnachts- und Urlaubsgeld.

"Wir gehen davon aus, dass alle Niederlassungen der großen Autobauer - wie VW, BMW, Mercedes, Audi oder Renault - weiter am Flächentarif interessiert sind", so Rumpff. Auch der Betriebsratsvorsitzende von Volkswagen Automobile Hamburg sieht keine Anzeichen, dass sich die VW-Niederlassung vom Flächentarifvertrag verabschieden will, sagt Uwe Brüggmann und kündigt andernfalls Widerstand an: "Sonst ist Remmidemmi angesagt. Wir sind gewerkschaftlich gut organisiert."