Viele Hamburger Geschäftsleute sitzen im Ausland fest. Bahn und Autovermieter legen zu. Täglicher Schaden von einer Milliarde Euro.

Hamburg. Das Flugverbot in Europa wird zur immer größeren finanziellen Belastung für die Wirtschaft. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bezifferte die Kosten pro Tag auf eine Milliarde Euro. "Vom Wert her betrachtet wird mehr als ein Drittel des internationalen Handels in Deutschland über die Luftfracht abgewickelt", sagte Volker Treier, Chef-Volkswirt des Deutschen Industrie- und Handelstags (DIHK), dem Abendblatt. Bei einem Umsatz von 1000 Milliarden Euro im Jahr wären dies 350 Milliarden Euro - also fast eine Milliarde Euro pro Tag."

Besonders betroffen sind Luftfahrt- und Tourismusgesellschaften. Allein TUI Travel berichtet von sechs Millionen Euro, die das Unternehmen täglich durch ausgefallene Reisen verliert. Die Fluggesellschaften büßen weltweit jeden Tag mindestens 148 Millionen Euro ein, so der Verband IATA, der die Branche vertritt.

DER WEG DER ASCHEWOLKE IN DEN NÄCHSTEN STUNDEN UND TAGEN

Hamburgs Wirtschaft wird nicht verschont. Zwar melden Airbus und die Lufthansa Technik, die zu den größten Arbeitgebern der Stadt gehören, noch keine Beeinträchtigungen im Geschäft, aber der Aufwand für die Firmen wird größer. So hat Airbus am Freitag für 40 Beschäftigte einen Bus von Toulouse nach Hamburg gechartert. Statt zu fliegen, mussten sie rund 20 Stunden in dem Transporter ausharren, bevor sie zu Hause bei ihren Familie ankamen. Gestern startete ein weiterer Bus mit 15 Menschen, der von Hamburg nach Toulouse fuhr.

Airbus kann keine Flugzeuge an Kunden ausliefern

Zudem konnten bereits fertige Flugzeuge nicht ausgeliefert werden. Laut Airbus-Sprecher Tore Prang waren es aber nur einige wenige. "Wir können die Produktion zwar noch mehrere Tage fortführen, aber wir prüfen natürlich Alternativen wie etwa ein Transport von Teilen aus Toulouse mit dem Schiff oder per Lkw", sagte er. Auch viele der rund 1500 Betriebe im Verband des norddeutschen Groß- und Außenhandels (AGA) sind beunruhigt, wie eine Umfrage ergab. "Viele im Ausland eingesetzte Mitarbeiter sitzen fest, Geschäftskunden können nicht in ihre Heimatländer zurückkehren", so AGA-Präsident Hans-Fabian Kruse. Sie würden auf Kosten der Hamburger Firmen in Hotels untergebracht und beköstigt. Auch gebe es teilweise Visa-Schwierigkeiten, da in einigen Fällen der Rückflug fest an einen Flughafen gebunden sei. Verheerend sei die Lage für einige Importeure. "Ersatzteile können nicht per Schiff nach Deutschland geschickt werden, weil die Originalpapiere für den Transport fehlen", so Kruse. Diese Dokumente werden meist per Flugzeug transportiert. Zur Höhe des Schadens für die Hamburger Wirtschaft gibt es noch keine Angaben.

Rund 40 Mitarbeiter aus dem Ausland sitzen auch bei Beiersdorf in Hamburg fest. Nach einer internationalen Konzerntagung vergangene Woche konnten sie noch nicht in ihre Heimatländer fliegen. Weitere 40 Beschäftigte und ein Vorstand kommen nicht aus dem Ausland zurück. "Für den Einzelnen ist diese Situation unangenehm. Aber Auswirkungen auf den Geschäftsablauf hat die Aschewolke nicht", so Unternehmenssprecherin Claudia Fasse. Die Arbeitnehmer könnten auch im Ausland für den Konzern arbeiten. Auch bei SAP in Hamburg gibt es trotz fehlender Mitarbeiter keine Probleme. Das Unternehmen weicht auf Videokonferenzen aus, so SAP-Sprecher Christoph Liedtke. Ähnliches melden auch Unilever und BAT. Ob gestrandete Mitarbeiter Urlaub nehmen müssen? Laut dem Arbeitsrechtler Detlev Joost von der Universität Hamburg ist dies in erster Linie eine Angelegenheit zwischen Arbeitgeber und Betrieb, da es keine genaue gesetzliche Regelung gibt. "Grundsätzlich hat einer, der nicht arbeitet, keinen Anspruch auf Lohn", sagte er.

Kongresse und Tagungen in der Stadt abgesagt

Auch die Hotels leiden. So hat gestern der Afrika-Verein eine Veranstaltung mit 300 Teilnehmern im Grand Elysée verschoben und die Handelskammer strich eine Tagung, weil russische Gäste nicht anreisen konnten. "Ein Großteil der Konferenzen wird nicht abgesagt, sondern nur verlegt", sagte Elysée-Direktor Jürgen von Massow. "Die Hotels profitieren jetzt aber davon, dass andere Gäste, die nicht ins Ausland reisen können, nach Hamburg kommen", so Folke Sievers, der als Direktor des Hotels Hamburg Alster auch Sprecher von allen Hamburger Accor-Hotels ist. Die Reisebüros hingegen spüren, dass die Kunden nun zögerlicher buchen und gleichzeitig einen hohen Beratungsbedarf - etwa beim Stornieren des Urlaubstrips - haben. Das bedeutet Mehraufwand bei gleichzeitigen Mindereinnahmen, weil die Büros für gestrichene Pauschalreisen keinen Cent erhalten.

Stark betroffen ist die Firma Gebr. Heinemann. Die Duty-Free-Geschäfte des Unternehmens in Flughäfen sind geschlossen. "Wo keine Passagiere sind, haben wir als Einzelhändler auch keine Kunden im Shop. Die Aussicht, dass es an den Airports noch tagelang so weiter gehen könnte, trifft uns hart. Wir hoffen daher auf die Rückkehr politischer Kompetenz und die Anordnung von genauen Messungen. Zurzeit haben wir viele unserer Mitarbeiter gebeten, Überstunden abzubauen oder Urlaub zu nehmen. Dabei sind wir auf großes Verständnis gestoßen", sagte Mitinhaber Gunnar Heinemann. Das Hamburger Delikatessengeschäft Kruizenga verliert als Caterer für Privatflieger Einnahmen. "Für uns bedeutet die jetzige Lage einen Einnahmeverlust von 500 bis 1000 Euro am Tag", so Geert-Jans Kruizenga. Lebensmittel würden aber noch nicht knapp.

Auch die Börse reagiert sensibel. Die Aktie der Lufthansa brach gestern um 2,63 Prozent ein, Air France verlor 2,75 Prozent und der Börsenindex DAX sank um 0,3 Prozent. Der Ölpreis fiel um vier auf rund 81 Dollar je Barrel (159 Liter).

Fähren, Bahn und Autovermieter profitieren von Flugausfällen

Es gibt aber auch Gewinner der Krise. Neben den Busunternehmen zählen auch die Ostseefähren dazu, die bis zu doppelt so viele Buchungen verzeichnen. Die Autovermieter bekommen mehr Buchungen. Europcar hat bereits 2000 weitere Wagen beschafft. Und die Bahn meldet ein Drittel mehr Fahrgäste. Weniger Konkurrenz hat der Blumenhandel, da Rosen aus Übersee nicht mehr nach Deutschland kommen können. "In Hamburg gibt es dennoch genug Blumen, da wir im Alten Land das deutschlandweit größte geschlossene Anbaugebiet haben", sagte Günter Dahlmann, Vorsitzender des Hamburger Landesverbands vom Deutschen Blumengroß- und Exporthandel. "Aber wenn das Flugverbot bis zum Muttertag besteht, könnte es eng werden."