In der Kita Heidberg sind 40 Prozent der 13 Kindergärtner männlich. Sie verraten, was ihnen an dem Beruf Spaß macht, der immer noch als typisch weiblich gilt.

"Haben Sie keine richtige Arbeit?" Diese Frage stellte ein älterer Herr Frank Zeimys, als er den 48-Jährigen mit zwei Krippenkindern auf dem Schoß in der Kita Heidberg sah. "Zum Glück passiert das nur selten", sagt Zeimys. Als er vor 30 Jahren anfing, als Erzieher zu arbeiten, begegnete er viel mehr Vorurteilen. Auch seine Eltern haderten mit seiner Berufswahl: Es sei eine Frauentätigkeit, bringe nicht genug Geld ein - schon gar nicht, um eine Familie zu ernähren.

"In der Tat schafft man als Kindergärtner keine Reichtümer an", sagt Zeimys. "Gleichaltrige Freunde verdienen im Monat 500 bis 1000 Euro mehr als ich." Doch für ihn zähle das nicht. "Wichtig ist, dass mir mein Beruf Spaß macht. Es gibt keinen anderen Arbeitsplatz, an dem einem morgens so viele Menschen vor Freude um den Hals fallen."

Die eingeschränkten Verdienstmöglichkeiten, aber auch ein einseitiges Rollenverständnis sind sicher Gründe dafür, dass männliche Pädagogen in deutschen Kindertagesstätten noch immer die Ausnahme sind: Gerade mal drei Prozent der Beschäftigten sind Männer. Dabei sind sich Experten sicher, dass es mehr werden müssen. So galt bereits 1996 eine Quote von 20 Prozent als erstrebenswert; erst im vergangenen November wurde auf der zweiten Bundesfachtagung "Männer in Kitas" an die politisch Verantwortlichen appelliert, den "Anteil von männlichen Fachkräften in den Kindertageseinrichtungen signifikant und auf Dauer effektiv anzuheben".

Der Arbeitgeber von Frank Zeimys, der Träger Kinderwelt e.V., betreibt in Hamburg 16 Kindertagesstätten. Hier hat man sich das Motto "Männer in die Kitas" auf die Fahnen geschrieben. Immerhin 16 Prozent der angestellten Pädagogen sind männlich. Damit die Zahlen weiter steigen, hat sich gerade eine interne Arbeitsgruppe gebildet, die Möglichkeiten zur Ermutigung männlicher Kollegen im Bereich Frühpädagogik ausloten möchte.

"Gerade in Zeiten hoher Scheidungsquoten sind Männer wichtige Bezugspersonen für Kinder. Weil Männer in Kitas und Grundschulen unterrepräsentiert sind, haben sie jedoch viel zu wenig Kontakt zu ihnen", sagt Tobias Schubert (37), Leiter der Kita Heidberg und damit selber auf einem eher frauenspezifischen Posten tätig. Ein Problem hat der Sozialpädagoge damit nicht. Das mag auch daran liegen, dass er und Frank Zeimys nicht die einzigen "Hähne im Korb" sind: Außer den beiden gehören noch drei weitere Männer zum insgesamt 13-köpfigen Pädagogen-Team. Das wiederum sieht Schubert als Grund dafür, dass sich bei "Kinderwelt" mehr Männer als anderswo um eine Stelle als Erzieher bewerben.

Janno Schütte (31) arbeitet seit fünf Jahren als Kindergärtner, in der Kita Heidberg erst seit Anfang des Monats. Dass er Kinder mag, sieht man gleich: Geduldig lässt er zu, dass die kleinen Clara wie eine Klette an ihm hängt, macht Scherze mit Finn und streicht zwischendurch der kleinen Nele über den Kopf, die sich müde an ihn kuschelt. "Ein wesentlicher Vorteil am Beruf des Kindergärtners ist, dass man von den Kindern so freundlich und selbstverständlich behandelt wird", sagt er. Anders als bei Frank Zeimys waren weder seine Familie noch seine Freunde skeptisch gegenüber seiner Berufswahl. "Ich habe mich noch nie diskriminiert gefühlt", sagt Janno Schütte.

Frank Zeimys dagegen hat das schon erlebt. Während er über taktlose Fragen wie die des älteren Herrn hinwegsieht, haben ihn zwei Vorfälle geärgert: "Einmal hat eine Mutter abgelehnt, dass ich ihr Kind betreue. Sie hat sich allerdings später entschuldigt", sagt er. "Schlimmer war, dass ich vor Jahren bei einem anderen Träger unterschreiben musste, dass ich keine Kinder wickle. Als ob ich, nur weil ich ein Mann bin, an ihnen herumfummeln würde."

Generell habe er sich früher im Kreise des ausschließlich weiblichen Kita-Personals häufiger als "gerupfter Hahn im Korb" gefühlt - kritisch beäugt von Müttern und Vätern. Heutzutage sei das glücklicherweise nicht mehr der Fall. "Dadurch, dass hier männliche und weibliche Kindergärtner arbeiten, leben wir mit den Kindern wie in einer Großfamilie zusammen", sagt Kita-Leiter Schubert. Für die Kinder sei der Kontakt zu männlichen und weiblichen Bezugspersonen nicht nur authentisch, sondern auch wichtig für ihre Entwicklung. "Mädchen und Jungen haben ein unterschiedliches Lern-, Spiel- und Kommunikationsverhalten", sagt er. "Darauf können Männer und Frauen jeweils anders reagieren." Männer könnten auf die Interessen der Jungen besser eingehen - sie nähmen Angst und Aggression anders wahr.

Auch Holger Brandes, Psychologe an der evangelischen Hochschule Dresden, plädiert dafür, mehr Männer in die Kitas zu holen. Er sagt: "Es geht nicht an, das Kinder bis zum Übergang in die weiterführende Schule fast nur von Frauen umgeben sind. Die wachsenden Probleme, die wir mit den Verhaltensauffälligkeiten von Jungen haben, sind ein ernstes Indiz dafür, dass hier Handlungsbedarf besteht."