Vieles ist selbstverständlich geworden, doch längst noch nicht alles. Frauen sind in Bürgerschaft und Senat noch immer unterrepräsentiert.

Hamburg. War das nun ein schlechtes Zeichen? Oder doch ein gutes? Als die Abgeordnete Kersten Artus kürzlich in der Bürgerschaft über das Thema "Immer noch keine Gleichstellung - was hat Hamburg versäumt" sprach, war die Resonanz recht bescheiden, auch unter den weiblichen Parlamentsmitgliedern. Frauen verdienen weniger als Männer, haben schlechtere Chancen im Beruf und besetzen viel seltener Führungspositionen, kritisierte die Abgeordnete der Linkspartei - ja, das sei ja alles richtig, meinte selbst Karen Koop (CDU). Aber es bringe doch nichts, die immer gleichen Argumente immer wieder auszutauschen. Die Debatte plätscherte so dahin.

Interessiert selbst die Frauen das Thema nicht? Oder ist es gar kein Thema mehr, weil zumindest Politikerinnen längst gleichberechtigt sind? Wie weiblich ist die Hamburger Politik wirklich? Eine Analyse aus Anlass des heutigen "99. Internationalen Frauentags".

* Bürgerschaft: 35,5 Prozent Frauen. Seit vor 91 Jahren erstmals Frauen in das Hamburger Landesparlament einzogen, blieben sie lange deutlich in der Minderheit. Noch 1978 stellten sie nur zehn Prozent der Abgeordneten (siehe Grafik). Das änderte sich erst 1982 mit dem Einzug der GAL in die Bürgerschaft. Als sie 1986 mit einer reinen Frauenliste antrat und 13 Sitze errang, sorgte das auch in anderen Parteien für ein Umdenken. Doch nachdem rasch die 30-Prozent-Hürde geknackt war, stagnierte die Entwicklung. Heute liegt der Anteil der weibliche Abgeordneten mit 35,5 Prozent auf dem Niveau von 1993.

Die Fraktionen: Nur eine Chefin. Während GAL (sieben Frauen, fünf Männer) und Linkspartei (vier zu vier) die "Quote" voll erfüllen, hinken SPD (17 zu 28) und vor allem die CDU (15 zu 41) weit hinterher. Mehr als die jetzigen 26,8 Prozent Frauen hatte die Union nie in der Fraktion - abgesehen von einem Intermezzo 1986, als der Wert bis zur Wahlwiederholung 1987 kurzzeitig über 30 Prozent lag. Passend dazu ist mit Viviane Spethmann nur eine Frau in der Fraktionsführung vertreten. Sie gilt zwar als einflussreich, tritt nach außen aber eher selten in Erscheinung. "Es kommt nicht auf die Erfüllung einer Quote an, sondern auf die Qualität", sagt Spethmann. Und die sei gut bei den CDU-Frauen.

Eine weibliche Fraktionsspitze hat derzeit nur die Linkspartei mit Dora Heyenn. Die scharfzüngige Lehrerin ist zugleich eine der einflussreichsten Damen im Parlament. Auch das Wort von Dorothee Stapelfeldt (SPD) hat Gewicht, allerdings ist die frühere Parlamentspräsidentin die einzige Frau im vierköpfigen SPD-Fraktionsvorstand. Bei der GAL darf mit Jens Kerstan ausnahmsweise mal ein Mann die Fraktion führen. Das wird durch die Mehrzahl an Frauen und eine profilierte Stellvertreterin ausgeglichen: Antje Möller. "In der Bürgerschaft sind wir beim Thema Gleichberechtigung schon recht weit gekommen", meint die langjährige Abgeordnete (seit 1993). "Allerdings sind wir noch lange nicht bei 50 Prozent. Da könnten andere Fraktionen noch etwas mehr tun."

Der Senat: 40 Prozent Frauen. Ole von Beust (CDU) hat den Frauenanteil im Senat stetig gesteigert: von zwei (2001) über drei (2004) auf jetzt vier von zehn Senatsmitgliedern inklusive Bürgermeister. Weiter war nur Ortwin Runde (SPD), der 1997 sechs Frauen und fünf Männer in den Senat geholt hatte. Dass es mit Christa Goetsch (GAL) eine Zweite Bürgermeisterin gibt, hat fast schon Tradition. Birgit Schnieber-Jastram (CDU, 2004-2008), Krista Sager (GAL, 1997-2001) und Helga Elstner (SPD, 1978-1984) hatten den Weg geebnet. Derzeit einflussreichste Senatorin ist Anja Hajduk (GAL). Sie gilt als Strippenzieherin und Finanzexpertin - angesichts der Haushaltskrise ist ihr Rat gefragt. Justizsenator Till Steffen (GAL), der anlässlich des 99. Internationalen Frauentags heute (17 Uhr) zu einem Senatsempfang ins Rathaus lädt, wünscht sich noch mehr Frauen in Spitzenämtern: "Wir brauchen einen Mentalitätswechsel. Dazu sollten sich auch die Männer in die Diskussion einschalten, denn von mehr Gleichstellung profitieren auch sie."

Bundestag: drei von 13. Unter den 13 Hamburger Bundestagsabgeordneten sind nur drei Frauen: Aydan Özoguz (SPD), Krista Sager (GAL) und Sylvia Canel (FDP). Immerhin: Antje Blumenthal, die bislang in Berlin die Fahne der Hamburger CDU-Frauen hochgehalten hatte, ist seit Kurzem "ehrenamtliche Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen in Hamburg".