Sie lächelt, nur ein bisschen zwar, aber zufrieden. Ingrid Richter genießt es, wie ihre Haare gekämmt und geschnitten werden. "Ach, das ist doch nicht nötig!", wehrt die 68-Jährige dann aber ab, als Friseurin Cordelia Grimpe-Luhmann (41) ihr mit etwas Spray noch die Frisur in Form bringen will. "Sie haben doch schon genug getan", sagt Frau Richter. Und: dass sie ja jetzt nicht "überschnappen" müsse, nur weil sie endlich wieder zum Friseur gekommen sei. Das erste Mal seit einem Jahr.

Denn Frau Richter lebt nach Abzug aller Fixkosten von knapp 160 Euro im Monat. Und kann sich deshalb so manche Sache, die für die meisten Menschen selbstverständlich sind, schlicht nicht leisten. Normalerweise jedenfalls nicht. Denn am Sonnabend gab es eine Ausnahme: Da konnte sich Frau Richter nicht nur zum Friseur gehen, sondern zum Beispiel auch noch zum Schlemmerfrühstück (gespendet vom Renaissance-Hotel) und zur Pediküre oder zum Zahnarzt und zur Rechtsberatung. Wohlgemerkt ohne etwas zu bezahlen. Dem "Wohlfühlmorgen" sei Dank. Den veranstalteten vorgestern die Caritas, die Malteser, der Sozialdienst katholischer Frauen und der Hilfsverein St. Ansgar in der St.-Ansgar-Schule in Hohenfelde. Anlass war das aktuelle "Europäische Jahr gegen Armut und Ausgrenzung". Mehr als 150 Bedürftige kamen - dreimal mehr als erwartet.

"Uns überwältigt der riesige Zuspruch der Menschen", sagte Josephin von Spiegel, eine der Organisatorinnen. "Allerdings zeigt dieser große Andrang auch", ergänzte sie, "dass gerade auch im reichen Hamburg viele Leute Not leiden." Doch der "Wohlfühlmorgen" solle, fuhr von Spiegel fort, nicht nur Wellness sein, sondern vor allem Hilfe zur Selbsthilfe: "Besonders mit unseren Angeboten zur Sozialberatung möchten wir eine Stütze zur Rückkehr in ein eigenständiges Leben geben", so von Spiegel. Aufgrund der enormen Resonanz sei nun eine regelmäßige Fortsetzung des "Wohlfühlmorgens" in Planung, wahrscheinlich dreimal pro Jahr.

Das freue ihn sehr, sagt dazu Gerd Reinhold (48), der sich nach Ingrid Richter auf den Frisierstuhl gesetzt hat und nun "das Geschnippel auf dem Kopp" genießt. Er ergänzt: "Ich werde wiederkommen." Er wird wohl nicht der Einzige sein.