Kunsthochschulabsolvent drehte Dokumentation über Hamburger Friseurmeister. Der Film wurde auf der Berlinale gezeigt.

Rotklinkerhäuser säumen den zugeschneiten Weg zum Friseursalon von Gleb Lenz. Die einzige Kundin an diesem Morgen läuft zunächst vorbei. Sie weiß wohl noch nichts vom kometenhaften Aufstieg ihres Friseurs. Gleb Lenz beobachtet sie von seinem Salon aus - ein Ensemble aus Linoleum, altem Mobiliar und ausgelesenen Klatschblättern ins Licht der mintgrünen Wände getaucht. Sicher: Die Windhukstraße in Altonas Norden ist nicht der Kurfürstendamm. Und Gleb Lenz nicht Udo Walz. Aber eins hat der sympathische Friseurmeister mit dem Igelschnitt dem Berliner Starcoiffeur voraus: Dieser Tage fällt ein bisschen Glanz der Filmbranche auf Altonas Arbeitersiedlung. Und das ausnahmsweise mal nicht wegen Fatih Akin.

"Am Wochenende war ich in Berlin", erzählt Gleb Lenz einer seiner ältesten Stammkundinnen. "Ja", kommt zögerlich und mäßig interessiert zurück. "Was haben Sie denn da gemacht?" So, als wäre Berlin das weißrussische Minsk, von wo Lenz vor 20 Jahren Richtung Deutschland aufbrach. "Ich war auf der Berlinale. Ich weiß nicht, ob Sie's schon wussten: Über mich wurde ein Film gedreht." Und schon entspinnt sich ein Gespräch über Filmgenres, Interessen und Fernsehgewohnheiten allgemein. Lenz ist der Erzähler, die Kundin am Waschbecken hört geduldig zu, während der 41-Jährige ihren Schopf einschäumt.

Haare schneiden könne er sehr gut, sagen seine Kunden. Aber noch besser seien seine Geschichten. "Und die liegen auf der Straße", sagt er. "Man muss sie nur sehen." Wie zum Beispiel die von dem Mann in zerrissenen Hosen, der jeden Tag an der Friedensallee vergeblich auf seine Mutter wartet. Es sind diese Geschichten, die den Kunsthochschulabsolventen Christian Hornung faszinierten und überzeugten, über den Altonaer Friseurmeister eine Dokumentation zu machen. Zwölf Stunden drehte er, 27 Minuten kamen am Ende dabei heraus. Am vergangenen Wochenende fuhr der Regisseur mit seinem Hauptdarsteller zur Premiere zu den Berliner Filmfestspielen. "Zuerst dachte ich, dass die Zuschauer den Film nicht verstehen", sagt Lenz. "Aber dann haben sie so gelacht. Und als ich auf der Bühne stand und mir die Leute applaudierten, wurde ich infiziert. Ich will jetzt unbedingt auch einen Film drehen, möglichst noch bis zur Berlinale im nächsten Jahr."

Die jetzt präsentierte Dokumentation "Glebs Film" ist ein Film im Film. Darin sieht man den ganz normalen Alltag in einem "Oma-Salon": waschen, schneiden, fönen - und klönen. Lenz erzählt Geschichten, wahre und unwahre. Und seine Kundinnen fügen Details hinzu, fragen nach, zweifeln, hoffen auf ein Happy End. Wie bei der Geschichte von der übergewichtigen Claudia, dem einsamen Florian und dem Friseur Gottlieb, der die beiden verkuppeln möchte. "Es sind Personen aus meinem Umfeld, denen ich natürlich andere Namen gegeben habe", sagt der Entertainer. Es ist die Geschichte, die Gleb Lenz nun gern verfilmen möchte: eine Tragikomödie über Hamburg, seine Menschen, ihre Einsamkeit und Hilflosigkeit. "Die Realität ist manchmal spannender als die Fiktion", sagt Lenz. Aber auch ein Schuss Humor und Ironie soll dabei sein, "denn das Leben ist so doch schon traurig genug".

Es klingt so, als treffe Lenz in der Windhukstraße auf so manches Schicksal. Er ist mehr als ein Friseur. Sein Salon ist das Zentrum dieses Viertels, bei ihm treffen sich die alten Leute. Durch ihn nehmen sie Teil am Leben. Weil sie stolz auf ihn sind, und weil die Windhukstraße für 27 Minuten im Scheinwerferlicht stand, brachte der Altonaer Baugenossenschaftsverein Blumen vorbei. "Gleb ist eine Radiostation", sagt Christian Hornung. "Er weiß zuerst, was in der Gegend passiert."

Und wenn ihm keine wahre Geschichte einfällt, dann lässt sich Lenz zu einer fantastischen Episode über das Leben inspirieren. Im Moment ist es die vom Friseur aus dem kleinen Altona, der Regisseur in Berlin werden möchte. "Fatih Akin hat schließlich auch mal klein angefangen", sagt er. "Ich glaube, es wäre möglich."