Sieben Monate Prozess, mehrere Hunderttausend Euro Kosten: Bernd-Rüdeger Sonnen kritisiert die Urteils-Aufhebung.

Hamburg. Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil im Prozess gegen den albanischen Kaufmann Burim Osmani (45) aufgehoben hat, äußert der Hamburger Strafrechtsprofessor Bernd-Rüdeger Sonnen (69) Kritik an der Entscheidung des fünften Strafsenats. Der Bevölkerung sei kaum vermittelbar, dass ein Verfahren, das vermutlich einige Hunderttausend Euro gekostet und sich in der ersten Instanz vor dem Hamburger Landgericht sieben Monate hingezogen habe, wegen eines formellen, verfahrensrechtlichen Fehlers komplett neu aufgerollt werden müsse. Rechtsstaatlich ginge der Karlsruher Beschuss zwar voll in Ordnung. "Dennoch staunt man in der Tat nicht schlecht, dass allein solche Formalien zur Aufhebung eines Urteils führen können", sagt Sonnen. "Manchmal muss man ein bisschen lachen."

Das Hamburger Prozess gegen Burim Osmani endete im Oktober 2008 mit einer Verurteilung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und elf Monaten. Die Kammer sah es damals als erwiesen an, dass Burim und sein Bruder Bashkim Osmani bei einer Volksbank in Lauenburg (Schleswig-Holstein) über Strohmänner Millionenkredite erschlichen hatten.

Der Verteidiger von Burim Osmani, Gerhard Strate, hatte darauf mit einer Verfahrensrüge Rechtsmittel eingelegt: Der Abschluss des Selbstleseverfahrens, so die Argumentation, sei vom Gericht nicht ordnungsgemäß protokolliert worden. In das Selbstleseverfahren werden Beweisdokumente eingeführt, die aus Effizienzgründen während der Hauptverhandlung nicht mündlich verlesen werden. Die Nichtprotokollierung sei gleichbedeutend mit einer Nichteinführung der Urkunden, sagte ein Gerichtssprecher.

Der BGH gab Strate nun recht. Nach Auffassung der Bundesrichter handelt es sich bei der Protokollierung des Selbstleseverfahrens um eine "wesentliche Förmlichkeit" (BGH 2 StR 280/09). Wird die Kenntnisnahme durch das Gericht nicht protokolliert, so die Karlsruher Richter, sei davon auszugehen, dass das Beweismittel erst gar nicht zur Kenntnis gelangt sei.

Für den Formfehler kritisiert Sonnen nun auch die damals zuständige Große Strafkammer acht des Hamburger Landgerichts. "In einem Großverfahren wie diesem muss das Gericht besonders pingelig sein. So ein Prozess stellt besondere Sorgfaltsanforderungen, denen hier offenbar nicht genügt wurde." Dass Strate zudem lediglich mit einer Verfahrensrüge die Revision durchgesetzt hat, sei "bemerkenswert", denn in vier von fünf Fällen würden die Bundesrichter das Urteil oder den Verfahrensablauf in der Sache ("Sachrüge") beanstanden - etwa dann, wenn ein Tatbestandsmerkmal falsch angewendet oder Fehler bei der Würdigung von Beweismitteln gemacht worden seien. Dass die Revision durchgegangen ist, sei auch ein Indiz dafür, dass die Bundesrichter das Urteil für problematisch hielten. Ähnlich hatte auch Strate den BGH-Beschluss verstanden, nämlich als "Hinweis darauf, dass der BGH das Urteil insgesamt für nicht ausreichend fundamentiert hält".

Zwei Revisionen für seinen Mandanten nach früheren Verfahren waren vom BGH bereits abgeschmettert worden. Zuletzt wiesen die Bundesrichter eine Revision gegen ein Urteil des Landgerichts Würzburg vom Februar 2008 als unbegründet zurück. Der Schuldspruch wurde rechtskräftig, und Osmani musste wegen Beihilfe zum Betrug für drei Jahre hinter Gitter. Seit Februar 2009, nach zwei Jahren Untersuchungshaft, sitzt er seine Haftstrafe in "Santa Fu" ab. Seit Oktober ist er Freigänger.

Das Revisionsverfahren, das nach Einschätzung von Rechtsexperten nicht vor Anfang 2011 beginnen und beträchtliche Ressourcen binden wird, werde inhaltlich wohl kaum Neuerungen bringen, schätzt Bernd-Rüdeger Sonnen. "Ich gehe davon aus, dass man einen Deal hinsichtlich der Strafhöhe abschließen wird. Vielleicht einigt man sich auf vier Jahre Gefängnis." In diesem Fall könnte sich der Prozess tatsächlich erheblich verkürzen. Die Verfahrenskosten bei einer Verurteilung müsste in jedem Fall Burim Osmani tragen.