Der Hamburger Reeder über die Notwendigkeit von Bürgschaften, wie er sein Unternehmen auf Kurs hält und was die Branche noch erwartet.

Hamburg. Die internationale Schifffahrt muss derzeit ihre schwerste Krise seit Jahrzehnten meistern. Hamburg ist von den Auswirkungen besonders stark betroffen. Die Stadt lebt nicht nur vom Hafen, sondern ist international auch das bedeutendste Zentrum für Schifffahrtsunternehmen. Der Hamburger Reeder Claus-Peter Offen (66) kaufte im Jahr 1971 sein erstes Frachtschiff. Daraus entwickelte er das mittlerweile weltweit führende Unternehmen für die Vermietung von Frachtschiffen an Linienreedereien, eine sogenannte Charterreederei. Die Flotte der Reederei Claus-Peter Offen umfasst derzeit 132 Schiffe in Fahrt und im Bau. Ende März bringt Offen in Südkorea die "CPO Savona" in Fahrt. Sie und ihre acht Schwesterschiffe, die folgen, werden für 15 Jahre von der italienisch-schweizerischen Linienreederei MSC gechartert. Die neuen Schiffe können jeweils rund 14 000 Containereinheiten (TEU) befördern, mehr als bislang jeder andere Containerfrachter weltweit. Für Offens Unternehmen arbeiten mehr als 3600 Menschen an Land und auf See. Das Abendblatt sprach mit Offen in seiner Hamburger Unternehmenszentrale.

Abendblatt: Herr Offen, sind die Reedereien durch ihre übermäßigen Bestellungen von Schiffen schuld an der schweren maritimen Krise?

Claus-Peter Offen: Das könnte man zunächst vermuten, Die Annahme hält aber einer sachlichen Betrachtung nicht stand.

Abendblatt: Wieso?

Offen: Wir hatten im Containertransport über 15 Jahre hinweg Zuwachsraten von zehn Prozent pro Jahr. Da war eine Neubauplanung in dieser Größe nicht übertrieben. Doch dann wurde 2006/2007 für drei Jahre im Voraus eine zusätzliche Kapazität von 14 Prozent geordert. Die Lieferungen der Schiffe fielen in die Jahre 2009/2010 und 2011. Es war also abzusehen, dass vier Prozent zu viel Tonnage pro Jahr auf den Markt kommen würde. Das hat uns schon 2007 bewogen, nicht mehr zu bestellen.

Abendblatt: Wer ist denn nun der Verursacher der Krise?

Offen: Zunächst einmal gehen die Bestellungen auf die Linienreeder zurück. Sie sind auf uns zugekommen, weil sie Neubauten gern von Charterreedern mieten, um beim Einsatz der Tonnage flexibel zu bleiben. Hätten wir die Neubauten nicht bestellt, hätten das andere Charterreeder gemacht.

Abendblatt: Dann kam aber die Wirtschaftskrise ...

Offen: ... und mit ihr ein Verlust beim weltweiten Ladungsvolumen von zehn bis 15 Prozent. Das hätte auch ohne ein einziges neues Schiff zum Desaster geführt. Nicht die Reeder sind schuld an der Schifffahrtskrise, wir können uns bei der Lehman-Bank als Verursacher der Finanzkrise bedanken. Ich gebe aber zu, unsere Branche war zu optimistisch.

Abendblatt: Muss jetzt Staatshilfe her?

Offen: Im Grunde geht es um zwei Dinge: Zunächst müssen für zwei bis drei Jahre Betriebsmittelkredite bereitgestellt werden, um die fahrende Flotte abzusichern. Damit können Phasen überbrückt werden, in denen Reeder wegen der Krise ihre Kosten nicht decken können.

Abendblatt: Und zweitens?

Offen: Schwieriger wird sicher, die Finanzierung für schätzungsweise 200 Neubauten zu ordnen, die derzeit bestellt sind. Dafür dürfte ein Eigenkapital von fünf bis zu zehn Milliarden Euro notwendig sein.

Abendblatt: Eine große Aufgabe. Ist das über den Deutschlands-Fonds möglich, der ja grundsätzlich auch für die Schifffahrt bereitsteht?

Offen: Es geht hier nicht um Geschenke, sondern vielmehr darum, dass der Staat für marktübliche Kredite von Banken bürgt. Die wollen oder können die Banken derzeit nicht bereitstellen. Doch es ist klar: Die öffentliche Hand sträubt sich dagegen, dem Schiffbau in Asien zu helfen. Dabei sind die koreanischen Werften größere Kunden der deutschen Zulieferer als der deutsche Schiffbau. Zudem hängen an den Reedereien vor allem in Norddeutschland auch Banken, Versicherungen oder Makler, um nur einige zu nennen. Über eine solch wichtige Branche lohnt es sich schon nachzudenken, so wie es die Ministerpräsidenten und Bürgermeister der Küstenländer jetzt tun.

Abendblatt: Würde die Hilfe deutschen Werften zukommen, wäre sicher alles einfacher.

Offen: Aber die deutschen Werften können bei den Preisen nicht mithalten. Schon die niedrigen Anzahlungen von fünf Prozent, die bundesweit bei Aufträgen anfallen, zeigen dies. Damit wird versucht, Vorteile der Asiaten zu kompensieren. Die Asiaten verlangen etwa 50 Prozent des Preises noch während der Bauzeit. Das ist der Grund dafür, dass es sich keine Reederei leisten kann, in Asien Aufträge verfallen zu lassen.

Abendblatt: Gibt es Hoffnung auf eine Erholung der Branche?

Offen: Die Linienreedereien haben sich inzwischen deutlich erholt. Nachdem die großen Unternehmen im ersten Halbjahr 2009 fast alle monatlich 100 Millionen Dollar Verlust eingefahren haben, sind sie jetzt zurück in den schwarzen Zahlen. Ein Beispiel: Für einen 40-Fuß-Container, der von Hongkong nach Europa transportiert wurde, gab es in der Krise 600 Dollar, jetzt sind es wieder 3000. Die Situation hat sich entspannt.

Abendblatt: Wie das?

Offen: Durch das Stilllegen von Schiffen und ein gedrosseltes Tempo auf See. So werden allein elf Prozent der Weltkapazität von zwölf Millionen Standardcontainern (TEU) derzeit nicht eingesetzt, sind also aufgelegt. Und statt mit 23 wird jetzt häufig nur noch mit 17 bis 18 Knoten gefahren. Für eine Verbindung sind dann nicht sieben oder acht, sondern elf Schiffe nötig. Die Folge ist, dass überproportional Kosten gespart werden und die Frachtraten nicht weiter sinken, weil die Überkapazitäten schwinden. Aber es gibt auch wieder Ladungszuwächse wie zwischen Asien und Amerika, wo bis März ein Plus um 21 Prozent erwartet wird.

Abendblatt: Geht es auch den Charterreedereien wieder besser?

Offen: Meine Branche hat mehr gelitten. Denn die Charterpreise für unsere Frachter, die etwa die Hälfte der Flotten der Linienreeder ausmachen, haben sich noch nicht erholt. Gab es vor zwei Jahren im Boom noch 28 000 Dollar pro Tag für einen Frachter mit 2500 Stellplätzen für Standardcontainer (TEU) und lag der Durchschnitt bei 18 000, so werden jetzt 4000 erzielt. Das können viele nicht lange aushalten. Es wird aber noch ein bis zwei Jahre dauern, bis alle derzeit stillliegenden 500 bis 700 Schiffe wieder gebraucht werden.

Abendblatt: Wie schlägt sich die Reederei Offen?

Offen: Staatshilfe haben wir nicht bekommen, nicht zuletzt wegen der Korea-Neubauten. Daher mussten wir unser Problem allein lösen. Bis Ende 2011 erhalten wir noch 28 Neubauten, davon allein neun Containerfrachter für die Mediterranean Shipping Company (MSC). Mit 14 050 TEU werden sie die größte Kapazität weltweit haben. Das Investitionsvolumen liegt bei 2,5 Milliarden Euro. Dafür haben wir 700 Millionen Euro Eigenkapital bereitgestellt. Knapp die Hälfte steuerte die Commerzbank-Tochter Real dazu, die Zusagen für Eigenkapital gegeben hatte. Die andere Hälfte, die ein Hamburger Emissionshaus nicht einwerben konnte, haben wir schließlich über Banken, eigene Mittel und Partner finanziert. Das gelang schon deshalb leichter, weil unsere Schiffe alle langfristig verchartert sind und die Verträge zum Teil bis 2024 reichen. Wir schreiben schwarze Zahlen.

Abendblatt: Wie wird sich das Geschäft künftig entwickeln?

Offen: Die Linienreeder werden in den kommenden drei bis vier Jahren kaum Aufträge mehr erteilen, das ist sicher. Auch das Geschäft mit Schiffsbeteiligungen ist extrem schwierig. In jedem Fall wird es nie wieder das Ausmaß von drei Milliarden Euro jährlich erreichen wie zuvor. Die Banken dürften künftig für Neubauten kein Eigenkapital mehr vorfinanzieren. Auch wir werden erst wieder bestellen, wenn die Mittel bereitstehen - in jedem Fall aber unabhängig von Emissionshäusern.

Abendblatt: Also, Abschied vom Boom?

Offen: Mag sein, aber die neue Situation wird auch eine heilende Wirkung auf den Markt haben.