Im Zug von Köln nach Hamburg. Ich sitze einem älteren Paar gegenüber, das gerade auf dem Weg in den Urlaub ist: "Mein Mann und ich wollen nach Westerland", klärt mich die Dame auf, "da gefällt's uns schon seit Jahren. Ne, Herbert?" Herbert nickt zustimmend und will gerade den Mund öffnen, wohl, um mir von den Schönheiten des winterlichen Sylts vorzuschwärmen. Dazu kommt er allerdings nicht, weil seine Frau schon längst wieder das Wort ergriffen hat: "Herbert, hast du eigentlich das schöne Unterhemd angezogen, das ich dir aufs Nachtschränkchen gelegt hatte?" Sprach's und nestelt auf der Suche nach dem Feinripp ungeniert am hilflosen Herbert herum. Und lässt selbigen also erneut nicht antworten - mich dafür aber nun an einer Kurzführung durch ihr Leben teilhaben: Ich erfahre, dass sie Irmgard heißt, aus Solingen kommt, mit Herbert seit 39 Jahren verheiratet und - klar! - immer noch verliebt ist wie am ersten Tage. Es folgen noch viele weitere, freilich durchweg interessante Döneken über Kinder und Kegelklub-Ausflüge, über Krankheiten und selbst erdachte Kuchenrezepte. Die gute Irmgard ist mittlerweile so in ihrem Element, dass sie von Herbert gar keine Erwiderungen mehr erwartet. Auch nach meiner Meinung fragt sie nicht mehr. Ob sie wohl gemerkt hat, dass ich am Dammtor-Bahnhof ausgestiegen bin?