Vom Spezialwerkzeug für Geheimdienste bis zur Abhörwanze für misstrauische Ehemänner: Mahmod Abu Shanab ist ein gefragter Experte.

Hamburg. Der Tag ist noch nicht richtig angebrochen. Aber im Geschäft von Mahmod Abu Shanab brennt schon Licht. Was er verkauft, hat viel Geheimnisvolles, aber ein Geheimnis macht er nicht daraus. Die Auslagen füllen winzige Kameras mit Quadratmillimeter-Linsen und Digitalwanzen in Streichholzgröße; silbern funkelnde Schlossdecoder, die wie Miniraumschiffe anmuten; computergesteuerte Tresoröffner, die in die Aktentasche passen und jeden Zahlencode knacken; elektronische Hochleistungspicks, die teure Sicherheitsschlösser manipulieren; Frequenzdetektoren, die Alarmanlagen ausschalten.

Shanabs Spy Shop an der Hoheluftchaussee ist ein Supermarkt der Spionage. Ob elektronisch gesicherte Garagentore, Bankschließfächer, Magnetkarten- und Autoschlösser - es gibt fast nichts, für das Shanab nicht einen "Zweitschlüssel" hätte. Und jeder kann bei ihm für ein paar Hundert oder auch viele Tausend Euro das Werkzeug für den perfekten Einbruch, Spezialelektronik und Spionagesoftware für den Großen und Kleinen Lauschangriff kaufen.

Noch ist das Geschäft geschlossen. In der Küche, die sich hinter einer spanischen Wand verbirgt, sitzen vier Männer, rauchen und trinken Kaffee. Endlich surrt das Handy. Der Anruf ist das Aufbruchsignal. "Unser Flugzeug startet in Kürze. Sie können mein Haus jetzt verwanzen", sagt der Anrufer. Wenige Tage zuvor hatte er den Spy Shop besucht, für viel Geld Spionagetechnik geordert und Shanab einen Spezialauftrag gegeben.

"Alles klar, Chef", antwortet Shanab ins Telefon und gibt seinen drei Mitarbeitern das Startzeichen. "Los geht's, Jungs, die Millionärsvilla gläsern machen." Sie beladen ihren Transporter mit digitalen Audio- und Videowanzen und Aufnahmegeräten, Werkzeugkästen, Monitoren, Frequenzscannern, Feinstaubmasken, Lötkolben, Fräsmaschinen, Bohrern, Farben, Pinseln, Abdeckfolie, Spachtel, Mörtel, Blitzbeton, Heißklebepistole.

Im "Zielobjekt" geht Shanab als Erstes mit der Videokamera durch jedes Zimmer, filmt, wie Stühle und Zahnputzbecher stehen, Gardinen und Handtücher hängen. Der Auftraggeber, der mit Ehefrau und Tochter hier wohnt, will später alles haargenau so vorfinden, wie er es verlassen hat.

Warum der Multimillionär - um die 60 Jahre alt, Deutscher, Inhaber mehrerer Im- und Exportfirmen - seine eigene Wohnung mit verdeckten Hightech-Augen und -Ohren spicken lässt, was er mit dem Lausch- und Spähangriff bezweckt, ob er seine Frau bespitzeln will oder jemanden, der hier einziehen oder zu Gast sein wird, ob er übertrieben ängstlich oder ein krankhafter Kontrollfreak ist - Shanab wisse es nicht so genau, sagt er.

Vermutlich will er es auch gar nicht wissen. Bei diesem Kunden nicht, und bei so manch anderem, der seinen Laden betritt oder via Internet Aufsperr- und Spionageequipment bestellt, auch nicht. "Klar kommen manchmal Schlitzohren und schwere Jungs rein, doch der Shop ist nicht Gangster's Paradise. Denn ich will weder mit dem Gesetz noch mit meinem Gewissen in Konflikt geraten", sagt der 41-Jährige. "Aber die Kundschaft darüber ausquetschen, was sie mit der Technik vorhat, den Lügendetektor-Test machen, ist auch nicht meine Aufgabe. Manchmal braucht es Fingerspitzengefühl. Und davon habe ich verdammt viel."

Shanab, breite Schultern, schmale Hüften, in Hamburg geboren, aber mit nahöstlichen Wurzeln, ist einer von Deutschlands innovativsten Sicherheitstechnikern. Immer wenn ein "spannendes" Schließ- oder Sicherheitssystem oder eine "heiße" Schnüffelsoftware auf den Markt kommt, macht der Aufsperrexperte sich mit einem Netzwerk von Hackern, Tüftlern und Technik-Freaks, die ihre Labors und Werkstätten in Berlin, Stuttgart, Leipzig und Köln, auf den britischen Kanalinseln, in Amsterdam und Warschau haben, an die Entwicklung von Geräten, Manipulationstechniken und Taktiken, die diese überlisten können. Wenn Shanab etwas gefällt, wenn er einen Markt dafür sieht, sucht er nach Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten und nimmt die modifizierte Technologie in sein Programm auf. Warum er das tut? "Um meinen Kunden hochwertigste Konzepte in Sachen Sicherheit anzubieten. Um im Geschäft zu bleiben. Und um einfach Spaß zu haben."

Dieser Spaß, den Shanab meint, ist ein millionenschweres Wettrüsten zwischen Sicherheitsindustrie und Austricks-Technikern. Ein Geschäft, von dem der Hamburger, der eine Mercedes-Spezialausführung fährt und sich mit Kickboxen fit hält, komfortabel lebt. Die Branche boomt, der Markt ist gigantisch. Keine Spur von Krise. Bundesweit gibt es gut 3000 Security-Unternehmen mit mehr als 200 000 Mitarbeitern und über sechs Milliarden Euro Jahresumsatz.

Dass Schnüffeln schwer in Mode ist, belegen auch die Beispiele, die öffentlich wurden: Telekom, Deutsche Bahn, verschiedene Discounter-Ketten. "Spion kann heute jeder", sagt Shanab. "Es ist alles nur eine Frage der Technik." Wer sie bei ihm kauft, erlernt bei Bedarf in Spezialseminaren auch gleich, wie sie funktioniert.

Mehr als eine Million Wanzen funken illegal aus deutschen Wohn- und Hotelzimmern, Umkleidekabinen, Labors, Büros, Konferenzräumen und Geschäften, schätzen Sicherheits-Fachleute. Jährlich entsteht der Industrie durch Wirtschafts- und Konkurrenzspionage ein Schaden von mindestens 20 Milliarden Euro.

"Ich würde mich als Konzeptler, als Koordinator bezeichnen. In einem Netzwerk von Spezialisten, im Bereich der Überwachungs- und Sicherheitstechnik. Das ist mein Job", erklärt Shanab. "Manchmal streife ich dabei die Grauzone, jedoch nie den Untergrund. In meinem Metier ist die weiße Weste wichtig."

Shanabs Können hat sich weit herumgesprochen. Sicherheitsbehörden, Privatdetektive und Geheimdienste vieler Herren Länder kaufen bei ihm ein. Und wenn er könnte, wäre wohl auch James Bond, zumindest aber dessen Kollege "Q" hier Kunde.

Bei "Otto Normal" sei momentan das "Handy-Satisfaction-Paket" sehr gefragt. Das orderten vor allem misstrauische Ehegatten, sagt Shanab: "Meine Frau wünscht sich zum Geburtstag dieses neue Handy, und ich hätte gerne das neue Spielzeug dort integriert, sagen solche Kunden meist. Wenn wir das Spionageprogramm auf dem Handy installiert haben, sieht der Typ, mit wem sie telefoniert, wer sie anruft, er kann sie lokalisieren, ihre SMS lesen, ihre Gespräche mithören. Das volle Programm - für kuschelige 500 Euro."

Der Spezialhändler grinst, schaut ein wenig mitleidig. Denn verstehen, beteuert Shanab, kann er solche Kunden natürlich nicht. Spionage- und Einbruchsgerät zu entwickeln und quasi an jedermann zu verkaufen ist in Deutschland völlig legal. Verboten ist dem Käufer - worüber er den auch aufkläre, versichert Shanab -, die Hightech außerhalb seiner eigenen vier Wände einzusetzen und gegen das Datenschutzgesetz zu verstoßen. Einzige Ausnahme: Sicherheitsbehörden mit richterlichem Beschluss oder bei Gefahr in Verzug.

Shanabs Trupp kommt in der Millionärs-Villa schnell und routiniert voran. Ein Mann baut in den Badezimmerschrank und ins Sideboard neben dem Kamin im Wohnzimmer doppelte Wände mit Lüftungsklappen ein. Dahinter installiert er die nur zigarettenschachtelgroßen Empfänger; Audio- und Videorekorder, die Signale via Funk oder Stromleitung erhalten.

Ein anderer Agent tauscht den Bewegungsmelder im Flur gegen einen baugleichen aus, in den bereits Minispione eingebaut wurden. Eine Wanze kommt in die Wechselsprechanlage in der ersten Etage.

Shanab macht sich derweil am Dekor-Kamin zu schaffen. In die Rückwand bohrt er ein Loch, feilt die Ecken aus, bis die Kamera haargenau hineinpasst. Durch die Fugen zwischen den Backsteinen fräst er eine Nut für das Stromkabel, an das die Kamera angeschlossen wird. Das Kabel verbindet den Sender im Kamin mit den Empfängern im Sideboard.

"Passt perfekt", resümiert Shanab zufrieden und rührt den Zementmörtel an. Er verputzt die Kamera so, dass nur noch die Linse frei ist. Mit dem Rest des Mörtels verdichtet er die Fugen. Der Dekor-Kamin sieht nach dem Farbanstrich genauso aus wie vor der Verwanzung.

Weitere Funksender platzieren die Spezialisten in den Steckdosen verschiedener Zimmer. Drei Mikrofone werden noch in Türrahmen eingelassen. Dann ist der Job erledigt. Jedes Hüsteln im Haus ist zu hören. Das ist mächtig beeindruckend. Und absolut beängstigend.

Zurück im Spionageladen in der Hoheluftchaussee. Mahmod Abu Shanab setzt sich an seinen Computer und surft durchs Netz. Er muss ständig im Bilde sein, was die Mitbewerber in Israel, den USA, England und Russland an neuer Hightech im Programm haben. Woran die "Tüftler und Freaks" momentan "herumdoktern".

Der Sicherheitsexperte hat Bereitschaft. Seine Finger kribbeln, sagt er. Shanab betreibt neben dem Spionladen und der Firma MSC Sicherheitstechnik auch noch einen Schlüsselnotdienst. Eine gute Gelegenheit für ihn, zu trainieren, immer neue, meist zerstörungsfreie Aufsperrgeräte zu testen. Exklusiv für Joker-Kunden der Hamburger Sparkasse (bei Schlüsselverlust) und für die Hamburger Polizei (bei Hausdurchsuchungen) öffnet er Türen und Tresore. Mit Haspa und Polizei hat er langfristige Verträge geschlossen. Auch das bringt Umsatz - und vor allem Image.

Kurz vor Ladenschluss betritt eine Frau um die 30 den Spy Shop. Sie sei geschieden und habe ein Problem, sagt sie. Immer wenn ihr Sohn vom Ex-Mann zurückkomme, sei der Kleine irgendwie verstört. Sie will wissen, was da schiefläuft. "Ich habe eine Lösung für Ihr Problem", sagt Mahmod Abu Shanab lächelnd. Aus einer Schublade zaubert er etwas in der Größe einer Streichholzschachtel hervor: den Abhörsender "Sec 5" mit Pre-call-Funktion, 600 Euro teuer. "Da drin stecken Sim-Card, GSM-Zelle und ein Stereo-Hochleistungsmikrofon mit zehn, zwölf Meter Reichweite", erklärt Shanab. "Wenn Sie den Sender anrufen, klingelt er natürlich nicht. Wäre ja witzlos. Aber das Mikro wird aktiviert. Sie hören in den Raum hinein. Verstecken Sie das Ding in der Reisetasche Ihres Sohnes. Am besten in einer Seitentasche mit Luftlöchern. Rufen Sie an, so oft Sie wollen, dann hören Sie live mit, was ihr Ex und ihr Sohn so treiben." Erleichtert und um 600 Euro ärmer verlässt die Frau das Fachgeschäft.

"Wir haben lange an Sec 5 gefeilt. Dies ist die dritte Generation. Jetzt ist der Sender eine richtige Granate. Und die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig", sagt der Tüftler. "Ich traue mich heute an Sachen ran, von denen ich vor drei Jahren noch nicht mal geträumt habe."

Zum Beispiel an die Entwicklung einer Mikrowellen-Pistole, die aus 15 Meter Entfernung Alarmanlagen der neuesten Generation lahmlegt. Oder an einem Universal Monitoring Decoder. Der soll in naher Zukunft mechatronische Öffnungscodes von Autos knacken und gleichzeitig speichern. Besitzer des Decoders, der satte 20 000 Euro kosten wird, sollen in der Lage sein, das gesamte Sicherheitssystem auszuschalten, den Wagen zu öffnen und Gas zu geben.

Mahmod Abu Shanab und seine Männer arbeiten daran.