Das Schiff hatte bereits 30 Grad Schlagseite, die rettende Küste war weit weg - doch in letzter Sekunde tauchten die Hamburger auf.

Hamburg. Der Notruf tönte in holprigem Englisch aus den Lautsprechern des Hamburger Schwergutfrachters "Annemieke". Kapitän Klaus Lang und sein Offizier mussten genau hinhören. Dass sie es taten, rettete 13 indischen Seeleuten, deren Schiff leckgeschlagen war, vermutlich das Leben. Die Geschichte einer außergewöhnlichen Begegnung auf See.

Was war geschehen? 65 Seemeilen - also etwa 120 Kilometer vor der indischen Küste im Indischen Ozean - war die "Dhanan Jay", eine motorisierte, hölzerne Dhau, in Seenot geraten. Kapitän Lang und seine Crew waren nur rund 40 Minuten von dem Havaristen entfernt. Die "Annemieke" vom "Schifffahrtskontor Altes Land" (SAL) war in Richtung Malaysia unterwegs.

Lang kehrte um, rief gleichzeitig die Küstenwache. Zum Glück verließ der Kapitän sich nicht auf die professionellen Seenotretter: Denn als er bei dem Havaristen eintraf, hatte sich die Lage der Seeleute bereits deutlich verschlechtert.

Mit Schlagseite trieb die Dhau manövrierunfähig in Richtung Afrika. An Bord: ein offensichtlich verängstigter Kapitän mit seiner indischen Besatzung. Die Dhau hatte bereits 30 Grad Schlagseite. Ihr Kapitän bat um eine Diesel-Pumpe. Noch hatte er offenbar die Hoffnung, den Schiffsrumpf leer pumpen und seine Fahrt fortsetzen zu können.

Mit einem Rettungsboot brachten Crewmitglieder der "Annemieke" eine elektrische Tauchpumpe zu der in Seenot geratenen Dhau. Rettungsversuche, die zunächst nur geringen Erfolg zeigten. Denn weniger wurde das Wasser im Rumpf der Dhau nicht. Nachdem es den Indern zu gefährlich an Bord wurde, ließen sie noch im Dunkeln eine Rettungsinsel zu Wasser. Sie versäumten jedoch, eine Rettungsleine zwischen der Insel und dem Havaristen anzubringen. Folge: Die Rettungsinsel trieb mit beachtlicher Geschwindigkeit aufs offene Meer hinaus.

Sechs Stunden nach dem Notruf - die Dhau schwamm immer noch mit Schlagseite auf dem Wasser - konnte die "Annemieke" die 13 Seeleute an Bord nehmen. Dank des Einsatzes von Kapitän Lang und der Crew des Frachters überlebten die indischen Seeleute unverletzt.

Während die "Dhanan Jay" langsam, aber stetig sank, versorgte die Crew der "Annemieke" die unerwarteten Gäste mit Frühstück - gemeinsam warteten die Seefahrer auf die indische Küstenwache. Die traf schließlich gegen 10.15 Uhr ein - mehr als zwei Stunden, nachdem die "Dhanan Jay" blubbernd untergegangen war.