Das vergangene Jahrzehnt brachte neue Rekorde in allen Jahreszeiten. Die Erwärmung hat Folgen für die Natur. Kraniche überwintern in der Stadt.

Hamburg. Das vergangene Jahrzehnt 2000 bis 2009 war in Deutschland das wärmste seit 130 Jahren. Die Jahresdurchschnittstemperatur lag in diesem Zeitraum bei 9,4 Grad Celsius. Hamburg lag mit zehn Grad sogar noch darüber - mit dem immerhin dritthöchsten Wert unter den Bundesländern. Nur Schleswig-Holstein (10, 3 Grad) sowie Bremen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland (jeweils 10,1 Grad) waren im mittleren Jahresdurchschnitt wärmer. Das ergaben Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes.

Wie hat sich das Wetter in den vergangenen zehn Jahren in der Hansestadt entwickelt? Und welche Auswirkungen hatte das auf die Fauna und Flora? "Das vergangene Jahrzehnt brachte neue Rekorde bei allen Jahreszeiten", sagt Wetterdienst-Sprecher Uwe Kirsche. So überbot der Hitzesommer 2003 mit einer Durchschnittstemperatur von 19,7 Grad in Deutschland den bisherigen Spitzenreiter aus dem Jahr 1947 um 1,2 Grad. Kirsche: "In Hamburg wurde 2003 eine Jahressonnenscheindauer von 1928,3 Stunden gemessen. Das langjährige Mittel für Hamburg, ermittelt zwischen 1961 und 1990, liegt bei 1532 Stunden." Zeitgleich sank 2003 der Jahresniederschlag in Hamburg auf 549,7 Liter pro Quadratmeter (Mittel: 739 Liter).

Der lineare Trend der Jahresmitteltemperaturen, in Deutschland wie in Hamburg, steigt stetig an. Beim Frühling gab es in den vergangenen zehn Jahren gleich zwei neue Spitzenreiter: zunächst der Frühling 2000 mit einer Durchschnittstemperatur von zehn Grad. Doch noch im selben Jahrzehnt brachte der Frühling 2007 mit 10,6 Grad den nächsten Rekord. Auch der bisher wärmste Herbst seit Beginn der Messungen fiel in die vergangene Dekade: Zwölf Grad betrug die Durchschnittstemperatur im Jahr 2006. Für den Winter 2006/2007 ermittelte der nationale Wetterdienst eine Durchschnittstemperatur von 4,4 Grad - kein Winter war je so warm.

"Diese Entwicklung hat deutliche Veränderungen in der Hamburger Vogelwelt mit sich gebracht", sagt Sven Baumung, Diplombiologe vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). So blieben einige der Kraniche, die im Duvenstedter Brook brüten, mittlerweile hier und zögen im Winter nicht mehr fort. Auch einige Kleinvögel wie Zilpzalp, Hausrotschwanz oder Bachstelze würde man im Winter hier antreffen. Baumung: "Das hat vor zehn Jahren erst angefangen." Sogar neue Arten würde man - auch im Winter - in Hamburg antreffen. "Der Silberreiher ist hier eingewandert, etwa auf den Kirchwerder Wiesen. Hätte das jemand vor zehn Jahren gesagt, hätten alle gedacht, der spinnt."

Gregor Hilfert vom Pflanzenschutzamt Hamburg sagt, dass durch extreme Wetterlagen wie die sehr trockenen und heißen Jahre 2003 und 2006 zunehmend Pflanzenschäden in Hamburg zu beobachten seien. "Die Pflanzen geraten in Trockenstress, junge Pflanzen haben Anwachsprobleme", sagt Hilfert. Damit öffnet das Klima auch die Tür für Schädlinge: Durch die Schwächung der Pflanzen könnten sie sich gegen diese nicht so gut wehren, zum Beispiel gegen Borkenkäfer.

Nicht alle Auswirkungen sind auf den ersten Blick für Laien zu erkennen. Der Hamburger Botaniker Dr. Hans-Helmut Poppendieck erklärt ein verblüffendes Beispiel: "Das Flache Quellried und die Wenigblütige Sumpfsimse, beides Sauergräser und nur maximal 15 Zentimeter hoch, haben in Hamburg ihr wichtigstes bzw. einziges Vorkommen auf der Rodelbahn im Naturschutzgebiet Boberg. Sie haben dort nur durch den Rodelbetrieb überlebt, weil dadurch die Fläche offen und kurz gehalten wird - den mechanischen Druck können sie ertragen. Sollten die Winter in Zukunft wärmer und schneeärmer werden, dann wird weniger oder gar nicht mehr gerodelt. Und dann wächst die Rodelbahn zu, und die Pflanzen werden beschattet und gehen ein. Das hört sich auf den ersten Blick ziemlich verstiegen an, aber ich denke, es ist ein gutes Beispiel dafür, wie komplex letztlich die Wirkungsketten sind."