Schnell merkt man, dass die Frau mit den langen, blonden Locken viel Übung im Umgang mit Problemen besitzt. Sie beherrscht die Kommunikation. Ein ruhiger Tonfall, klare Sätze, die nicht relativierend mit dem Wort "aber ..." beginnen, und ein aufmerksam-freundlicher Gesichtsausdruck. Doch bei manchen Themen holt Renate Bahlmann (Name geändert) tief Luft, redet schnellen, scharfen Klartext. "Draußen", sagt die langjährige ASD-Mitarbeiterin, "da gelten wir doch noch als die Buh-Abteilung. Das Jugendamt, so heißt es doch, das sind die, die die Kinder wegnehmen oder gar nichts machen." Es ist zu spüren, wie sehr sie das ärgert. Wieder holt die Frau tief Luft: "Ich habe zurzeit 35 Hilfen zur Erziehung und bin für insgesamt 80 Fälle zuständig, und die Frage ist immer wieder: Wie kriege ich die Eltern ins Boot?" Wie soll man einer Mutter mit fünf Kindern von drei Vätern helfen, die allein ist, der keiner hilft, "auch die eigenen Großeltern nicht". Dann wird der Ton ruhiger: "Wir sind die, die nie Nein sagen können, wenn jemand kommt."

Nein, das sagen immer mehr Menschen zu der Arbeit beim Allgemeinen Sozialen Dienst. "Die Bewerberlage ist desolat. Viele Stellen sind frei." 1400 Euro hat eine Mitarbeiterin anfangs netto auf dem Konto. Bahlmann: "Und wenn die junge Kollegin, die noch BAföG abzahlt, eine Wohnung sucht, wird auch eine Bürgschaft verlangt ..." Bitterkeit schwingt in ihrer Stimme mit: "Wir haben alle studieren müssen, verdienen wenig und haben in der Bevölkerung ein geringes Ansehen."

Darum wollen viele schnell wieder wechseln, zum Beispiel in die Schulsozialarbeit. Dort gibt es keine "Garantenstellung". Garantenstellung bedeutet, dass Sozialarbeiter wie Renate Bahlmann auch strafrechtlich belangt werden können. So wie die für Lara zuständige Betreuerin im Rauhen Haus - sie ist jetzt angeklagt wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen.

Macht die Arbeit denn wenigstens manchmal Freude? Renate Bahlmann überlegt nicht lange: "Doch. Natürlich macht der Job auch Spaß." Wenn man nur nicht phasenweise "so ausgepowert" wäre. Und es gebe ja auch Erfolge. Fälle, die gelöst werden, weil sie sich positiv entwickeln. Manchmal.

Dann erzählt Renate Bahlmann von einer Mutter, die mit ihrem ungewaschenen Kleinkind nach Hamburg übersiedelte; einem Kind, das in von den Behörden schon häufiger nur mit Windeln bekleidet draußen aufgegriffen worden war. "Und die sagte: Ich kann nicht mehr." Wieder ein Multiproblemfall. Es ist eine Frau, die im Internet einen Mann kennengelernt hat, für den sie alle Zelte abbrach und nach Hamburg kam, ohne den Mann je gesehen zu haben. Wirklich? "Ja", sagt Renate Bahlmann, "der Mann ist arbeitslos, und die Frau wird erneut schwanger." Solche Fälle gebe es immer häufiger. "Fragen Sie doch in den Frauenhäusern."

Dann schweigt die ASD-Mitarbeiterin. Ihre Gedanken sind nicht schwer zu erraten. Auch das zweite Baby wird wohl ein Problemfall. Es hat schlechte Chancen. "Wissen Sie, wenn wir eine andere Gesellschaft hätten. Oder andere Bedingungen, um mit den Schwierigkeiten vernünftiger umgehen zu können. Die Armut nimmt zu. Doch die Schwierigkeiten werden wohl bleiben. Hamburg muss sparen."

Renate Bahlmann ist eine von elf Frauen in ihrem ASD-Bereich. Männliche Kollegen gibt es nicht. Und dann erklärt sie, was Bürokratie bedeutet: Hilfe begründende Berichte, Protokolle, Standardbögen, Meldebeurteilungen zu Kindeswohlgefährdungen, Fallverteilungen, kollegiale Beratungen, Supervision. Und so weiter. Das Ergebnis: Zweidrittel der Arbeit ist reiner Verwaltungsaufwand, nur ein Drittel wird der Arbeit mit den Klienten gewidmet. Alles, um sich abzusichern mit anderen Meinungen und anderen Beurteilungen. "Wir werden immer wieder mit Beschwerdeverfahren überzogen." Und im schlimmsten Fall kommt der Staatsanwalt.

"Es ist eine tägliche Gratwanderung mit der Frage: Kann ich noch mehr tun, um die Familie zu stützen, habe ich wirklich alles bedacht und getan? Kann ein Kind noch in der Familie bleiben? Oder ist das Kindeswohl gefährdet?"

Und dann ist da noch eine andere Frage: "Warum tue ich mir das eigentlich an?" Doch sie wird es weiter tun. "Es ist mein Beruf. Er macht mir doch Freude." Trotz alledem.