Polizeipräsident: Neue Form der Gewalt. Täter setzten Mülltonnen in Brand und wollten die Wache verschließen.

Es begann mit dem Abschuss einer Leuchtrakete. Am Donnerstagabend um 23.04 Uhr. Es war das weithin sichtbare Zeichen an alle Mitglieder der offenbar autonomen Gruppe, die akribisch geplante Aktion zu starten. Die rund zehn Vermummten lockten Polizisten mit Hilfeschreien aus der Wache (PK 16) an der Lerchenstraße/Ecke Stresemannstraße (St. Pauli) und bewarfen sie anschließend mit Steinen. Fast zeitgleich warfen sie Molotowcocktails auf zwei Peterwagen. Einer brannte aus, der zweite wurde schwer beschädigt. Menschen kamen nicht zu Schaden. "Dieser Angriff stellt eine bisher nicht da gewesene Gewalt gegen Menschen dar, der mich fassungslos macht und den ich aufs Schärfste verurteile", sagte Polizeipräsident Werner Jantosch. Und Joachim Lenders, Hamburg-Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, ergänzte: "Das war ein Mordanschlag."

Als die Beamten die Schreie hörten, glaubten sie zunächst an eine Schlägerei. Ein Beamter, der helfen wollte, ging durch eine Hintertür der Wache nach draußen. Sofort warfen die Unbekannten mit Steinen auf ihn und schoben einen brennenden Müllcontainer in Richtung des Eingangs. Mit gezogener Waffe flüchtete er zurück in die Wache.

Fast zeitgleich versuchten weitere Täter, den Vordereingang der Wache mit einem Fahrradschloss zu verschließen. Eine Polizistin verhinderte dies im letzten Augenblick, indem sie an der Tür zog. Auch in ihre Richtung wurden Steine geworfen. Mehrere Fensterscheiben gingen dabei zu Bruch.

"Mit der Tat am PK 16 ist eine Form der Gewalt erreicht, die endgültig abgekoppelt ist von eventueller Gewalt gegen Sachen. Hier geht es eindeutig um Gewalt gegen Menschen", sagte Polizeipräsident Werner Jantosch dem Abendblatt. "Wer Türen zu verschließen versucht und brennende Mülleimer an die Türen schiebt, der nimmt in Kauf, dass Menschen verbrennen. Das ist unerträglich." Den Tätern gelang es trotz eines Großaufgebots der Polizei zu fliehen. Auch dafür hatten sie sich offensichtlich vorbereitet. Sie hatten sogenannte Krähenfüße, zusammengeschweißte Drahtnägel, auf der Lerchenstraße und der Thadenstraße verteilt. Die Räder eines Peterwagens wurden dadurch zerstört.

Um 2.37 Uhr kam es zum nächsten Großalarm an der Sachsenstraße (Hammerbrook). Auf dem Parkplatz des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge brannten ein BMW-Kombi und ein VW Polo. Sie gehören zum Zoll, der im selben Gebäudekomplex untergebracht ist. Die Wagen waren als Behördenfahrzeuge erkennbar, weil sie lediglich ein Hamburger Kennzeichen mit einer Zahlenkombination hatten. Beide Autos brannten komplett aus.

Bislang ist noch kein Bekennerschreiben aufgetaucht. Polizeipräsident Werner Jantosch hält einen Zusammenhang mit der Innenministerkonferenz, bei der sich die Minister eine Strafverschärfung bei Gewalt gegen Polizisten ausgesprochen haben, oder dem Klimagipfel in Kopenhagen für "sehr wahrscheinlich". Er kündigte an, das PK 16 sowohl personell als auch baulich zu verstärken, um die Beamten besser zu schützen. Es ist bereits der zweite Angriff auf dieselbe Wache in diesem Jahr. Mitte September versuchten rund 200 Autonome nach dem Schanzenfest, das PK 16 zu stürmen. Dabei gingen mehrere Fensterscheiben zu Bruch. Anschließend lieferten sich die Autonomen mit der Polizei eine Straßenschlacht im Schanzenviertel.

Auch in Berlin kam es in der Nacht zu Freitag zu politisch motivierten Anschlägen. Unbekannte schleuderten Farbbeutel gegen einen Verwaltungsflügel des schwer bewachten Bundeskanzleramts. In Berlin-Treptow warfen Täter drei Molotowcocktails und mit Farbe gefüllte Flaschen auf die Außenstelle des Bundeskriminalamts. Auch dort wurden "Krähenfüße" auf den Straßen verteilt, um der Polizei die Verfolgung zu erschweren. Außerdem verübten vermutlich Autonome Farbanschläge auf die Büros der Bundestagsabgeordneten Petra Merkel (SPD) und Karl-Georg Wellmann (CDU). In einem Bekennerschreiben, das bei der CDU-Fraktion einging, heißt es, dass sich die Täter exemplarisch zwei Abgeordnete für ihre Anschläge ausgesucht hätten, die für die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan gestimmt hätten.

Bereits vor eineinhalb Wochen haben ebenfalls bislang Unbekannte in Hamburg und Berlin zeitgleich Brandanschläge verübt. In Altona zündeten sie sechs Autos der Bahn an. In der Hauptstadt gingen fünf Transporter des Unternehmens in Flammen auf. In einem Bekennerschreiben hieß es, dass mit den Anschlägen "Profiteure" der Atomenergie getroffen werden sollten. Und nur vier Tage zuvor warfen unbekannte Täter Steine und mit Farbe gefüllte Flaschen auf das Haus von Fritz Vahrenholt. Der ehemalige Hamburger Umweltsenator arbeitet als Manager für den Stromkonzern RWE. Zeitgleich ging der Mercedes des Werbers Jean-Remy von Matt in Flammen auf. Seine Agentur Jung von Matt verantwortet Reklamespots für den Stromriesen. Kurz nach diesen Anschlägen kündigten Extremisten an, dass weitere folgen würden. Ob all diese Taten zusammenhängen, untersucht nun der Staatsschutz der Polizei.