Der Klub feiert im kommenden Jahr seinen 100. Geburtstag. Eine neue Chronik beschreibt auch die Geschichte des Stadtteils.

Hamburg. Und plötzlich war der Totenkopf da. Im Frühsommer 1987 war es, als das inoffizielle Wappen mit dem grinsenden Schädel und den gekreuzten Knochen zum ersten Mal in der Fankurve des FC St. Pauli auftauchte. Heute ist der Totenkopf ein Merchandising-Hit. Er grinst von Handtaschen und Toastern, er sorgt dafür, dass beim Alternativklub vom Kiez der Rubel rollt.

Dabei stammt er eigentlich aus einem Milieu, das dem Kapitalismus und seinen Auswüchsen kritisch gegenüberstand. Es waren die Hausbesetzer der St. Pauli Hafenstraße, die nach einem Heimspiel über den Dom gingen. An einem der Stände fanden sie eine Piratenfahne. Sie entwendeten sie - und schmückten damit ihre "Volxküche" in den besetzten Häusern. Irgendwann nagelte sie einer der Besetzer an einen Besenstiel und nahm sie mit ans Millerntor - seitdem flattert die Flagge dort als Zeichen des Widerstands gegen das Establishment. Die Geschichte um den Totenkopf als Erkennungsmarke der St.-Pauli-Fans ist nur eine von vielen Episoden, die in einem heute erscheinenden Buch erzählt werden.

"FC St. Pauli. Das Buch. Ein Verein und sein Stadtteil" (Hoffmann und Campe, 416 Seiten, 39,95 Euro) stammt aus der Feder von Christoph Nagel und Michael Pahl. Beide machen schon die offizielle Stadionzeitung "Viva". Zum 100. Geburtstag des 1910 gegründeten Fußball-Vereins holen sie ganz groß aus. Die Autoren: "Ganz wichtig sind die 80er-Jahre mit den Geschehnissen um die Hafenstraße, wo sich das Zusammengehen zwischen Stadtteil und Verein noch deutlicher als sonst zeigt. Diese Zeit ist der Anfang dessen, was der Verein heute noch ist."

200 Menschen interviewten Nagel und Pahl für ihr Buch. Dabei sind die Geschichten um den Klub, der zu Kaiser Wilhelms Zeiten entstand und von Anfang an auf dem Heiligengeistfeld zu Hause war, eingebettet in die Geschichte des Stadtteils. Ein Verein entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern immer im Zusammenspiel mit den geschichtlichen Umständen. Deshalb ist das Buch der Historiker viel mehr als nur ein Fußballbuch, nämlich eine süffig geschriebene und prächtig bebilderte Chronik St. Paulis. Hier kann man noch einmal nachlesen, wie der FC St. Pauli zum Gegenentwurf des HSV und zum Phänomen wurde, das bundesweit Sympathien weckt. Pahl: "Die Geschichte des FC St. Pauli kann man nur verstehen, wenn man sich auch mit dem Stadtteil auseinandersetzt."

Der "etwas andere Verein" - mit den linken Fans aus der Subkultur, der einerseits ehrlichen und andererseits skurril-exotischen Attitüde, der antikommerziellen und antirassistischen Haltung - ist für viele ein Identifikationsmodell. Die Fans prägen den Verein, und natürlich wird der Klub nicht wegen seiner Erfolge (von denen es nur wenige gibt), sondern wegen seiner selbst geliebt. Das Bild ist mancherorts zum Klischee geronnen und der Verein in vielerlei Hinsicht normaler als viele denken - schließlich ist auch er auf der Jagd nach wirtschaftlichem und sportlichem Erfolg.

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