Die multikulturelle Meile hinterm Hauptbahnhof will weg von ihrem Schmuddel-Image - hin zum modernen Quartier für Studierende und Touristen.

Hamburg. Mitten in der Stadt, nur einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt, liegt der Steindamm. Hier pulsiert das Leben Tag und Nacht. Der Steindamm ist berühmt. Und berüchtigt. Warum? Noch vor zehn Jahren war dies ein gefährliches Pflaster und die Schlagzeilen meist eindeutig: Drogenhandel, Diebstahl, Schlägereien und Prostitution waren hier an der Tagesordnung. Sex-Shops dominierten das Bild - es sollen einmal bis zu 18 entlang der Straße gewesen sein. Heute sind es nur noch fünf.

Der Steindamm hat sich gewandelt. Langsam, aber stetig. Einer, der immer an diese Meile geglaubt hat, ist St. Georgs Quartiermanager Wolfgang Schüler. Er sagt: "Der Steindamm war einmal richtig schmuddelig. Aber wir haben hier inzwischen einiges bewegt."

Der "Steindamm-Macher" steht am Anfang der Straße, vor dem Hotel Graf Moltke. Er lässt den Blick die Straße hinuntergleiten. Es gibt hier einige schön sanierte Altbauten. Aber vor allem dominieren die Leuchtreklamen der Geschäfte: Wettbüros, Spielhallen, Gold-An- und Verkauf, Apotheken oder Leihhäuser. Gemüsehändler und Supermärkte. Das gastronomische Angebot reicht von Döner und Pizza bis hin zu afghanischen Spezialitäten: "Wir haben hier zwar keine Feinkostläden und Nobelboutiquen. Aber es gibt hier eigentlich alles, was das Herz begehrt", sagt Wolfgang Schüler.

Das gilt auch für das "Aladin-Center". An den Verkaufsständen hängen Gürtel, Ketten, Taschen und Ohrringe in allen Farben - von Pink bis Gold. Teppiche gibt es hier ebenfalls zu kaufen. Hinter der Kasse hängt die Deutschlandfahne zum Verkauf und Geschäftsführer Halit Bayanbas (34) hat auch St.-Pauli-Fanartikel im Angebot: "Das Geschäft läuft gut. Früher gab es an diesem Standort große Probleme, aber heute kommen die Leute gerne zum Einkaufen her." So bunt wie das Angebot im "Aladin-Center" ist auch die Mischung der Menschen, die über den am Nachmittag gut besuchten Steindamm flanieren: "Hier treffen viele Kulturen aufeinander. Das macht auch den Reiz dieser Straße aus", sagt Wolfgang Schüler. Er hat recht. Türken, Afghanen, Schwarzafrikaner und Ur-Hamburger kommen hierher. Zum Einkaufen, zum Essen und zum Klönen.

Aber auch viele Touristen sind am Steindamm unterwegs. Das hat einen einfachen Grund: "Wir haben hier etwa 15 Hotels der Zwei- bis Vier-Sterne-Kategorie. Es kommen dauernd neue dazu", sagt Wolfgang Schüler. Da stimmt ihm Hartmut W. Sebold zu. Er muss es wissen, denn ihm gehören viele Immobilien am Steindamm. Die Häuser Nr. 68 und 70 lässt Sebold zu einem Hotel mit 169 Zimmern umbauen: "Dieser Standort hat ein großes Potenzial, deshalb investiere ich hier." Nicht nur das: Vor einigen Jahren ist Sebold sogar selbst von der feinen Uhlenhorst an den Steindamm nach St. Georg gezogen: "Diese Straße hat so viele Facetten. Hier tobt das Leben."

Stimmt. Für Unterhaltung ist gesorgt: Politisches Kabarett gibt es im Polittbüro und anspruchsvolle Filme im Metropolis-Kino, dem früheren Savoy. Und Varieté im Hansa-Theater ist auf Initiative des Abendblatts auferstanden aus Legenden und wird vom 29. Oktober an wieder bespielt.

Der untere Teil des Steindamms wird dominiert von großzügigen Bürohäusern. Philips hat sich hier vor einigen Jahren einen neuen Firmensitz gebaut. Das frühere Philips-Haus auf der anderen Straßenseite soll schon bald 1200 Studierende der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) beherbergen. Wenige Meter weiter fällt eine Großbaustelle ins Auge: Dort, wo das ehemalige "Horrorhaus" stand, entstehen jetzt Büros, Wohnungen und das größte Motel One Deutschlands.

Aber es gibt auch noch die Schattenseiten auf dem Steindamm, auch wenn Quartiermanager Schüler die nicht so gerne präsentiert. Vor Stundenhotels warten weiter Prostituierte in den wenig einladenden Eingängen diskret auf Freier. Die Sex-Shops werden wohl nie ganz verschwinden, eine Verkäuferin gesteht zwischen Dildos und Gummipuppen: "Nachts arbeite ich lieber auf der Reeperbahn. Hier gibt es in der Nacht immer wieder Ärger."

Szenenwechsel. Der Rundgang ist beendet. Wolfgang Schüler hat im Wiener Café des Arcotels Rubin unter einem Lüster Platz genommen und genießt ein Stück Sachertorte. Auch die gibt es hier am Steindamm in dem Vier-Sterne-Superior-Haus, das auf dem Gelände des ehemaligen Scientology-Hauses vor zwei Jahren neu gebaut wurde. Schüler wirkt zufrieden: "Wir haben aus dem einstigen Schmuddelkind Steindamm noch keine Prinzessin gemacht. Aber wir sind auf einem guten Weg."

Nächste Woche: Estedeich (Cranz)