Der Landesvorstand hat den Arbeitsminister einstimmig als Parteivorsitzenden nominiert. Er soll die Genossen aus der Krise führen.

Die große Trauer des Wahlabends war vorbei. Der SPD-Landesvorstand, der gestern Abend um 19 Uhr in der Parteizentrale im Kurt-Schumacher-Haus zusammenkam, wirkte ernst, aber gefasst. Der Entscheidung von Parteichef Ingo Egloff, als Konsequenz aus dem schlechten Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl zurückzutreten, zollten viele Respekt. Der Mann des Abends, Bundesarbeitsminister Olaf Scholz, kam eine Stunde später. Abgeschirmt von Landesgeschäftsführerin Karin Timmermann verschwand er wortlos im ersten Stock in Raum 102.

Zwei Stunden lang diskutierten die Spitzengenossen das Wahldebakel vom Vortag und nominierten Scholz einstimmig zum Nachfolger von Egloff. "Mich lässt nicht kalt, was in Hamburg passiert. Deswegen habe ich mich entschlossen, dem Wunsch des Landesvorsitzenden zu entsprechen, und mich bereit erklärt zu kandidieren", sagte Scholz nach der Sitzung. Seine einzige Bedingung - ein einstimmiges Votum des Vorstands - sei erfüllt worden. Das Wichtigste sei jetzt, dass es keinen innerparteilichen Streit gebe. "Es darf keine personellen Querelen geben, weder in der Partei noch in der Fraktion", so der neue Hoffnungsträger.

Altbürgermeister Ortwin Runde nannte Scholz "eine gute Lösung". Das Wahlergebnis bezeichnete er hingegen als "Katastrophe". Er könne daher den Schritt von Egloff "nachvollziehen". Die Vize-Parteichefin Inka Damerau sagte: "Ich glaube, dass Ingo Egloff sich das sehr gut überlegt hat. Darum ist es aus seiner Sicht auch ein sehr richtiger Schritt." Ein "Weiter so" könne es nicht geben. Auch sie hält Scholz für den richtigen Nachfolge-Kandidaten. "Er ist auf jeden Fall jemand, der mit einem klaren inhaltlichen Profil auch integrieren kann", so Damerau.

Der Finanzexperte und SPD-Nord-Chef Peter Tschentscher nannte den Personalvorschlag "eine sehr starke Idee, die ich unterstützen werde". Die SPD brauche einen "professionellen, klugen Landesvorsitzenden, der auch die Partei kennt". Ver.di-Chef Wolfgang Rose, der auch im SPD-Landesvorstand sitzt, nannte den Rücktritt Egloffs "respektabel, aber auch etwas tragisch". Scholz sei "eindeutig der richtige Mann" für die Nachfolge. Er könne auch mit seiner Ministererfahrung die Führung der Partei in die Hand nehmen. "Dazu hat er die notwendige Autorität", sagte Rose.

Das niederschmetternde Wahlergebnis traf die SPD nicht unvorbereitet. Deswegen war in den internen Machtzirkeln die Reaktion auf den schlimmsten anzunehmenden Fall, der nun eingetreten ist, längst verabredet worden. Landeschef Egloff sollte die Verantwortung übernehmen und den Weg für Scholz frei machen.

Dass Olaf Scholz nun der neue starke Mann in der SPD werden soll, entspringt einer nüchternen Abwägung von Chancen und Risiken. Scholz hat sich in den zurückliegenden Jahren weitgehend aus den Ränkespielen der Hamburger SPD herausgehalten. Er entstammt zwar dem linken Parteiflügel, trifft aber seit Langem auch im Mitte-rechts-Lager auf Akzeptanz.

Scholz wird zugetraut, dass er eine zutiefst verunsicherte und von Misstrauen gekennzeichnete Partei zusammenhalten kann. Der Altonaer hat das schon einmal bewiesen: Nach dem Machtverlust im Hamburger Rathaus 2001 verhinderte Scholz, der damals Landeschef war, ein Scherbengericht unter den Genossen. Zugleich sorgte er für eine Verjüngung der Partei. Sein wesentliches Verdienst war damals, für eine personelle Erneuerung gesorgt zu haben: Nicht der gerade abgewählte Bürgermeister Ortwin Runde wurde SPD-Oppositionschef, sondern der heutige DGB-Vorsitzende Uwe Grund rückte an die Spitze. Und noch einmal mischte sich Scholz als Krisenmanager ein: Als in der Phase des allergrößten Durcheinanders nach dem Stimmzettelklau im Mai 2007 händeringend ein Bürgermeisterkandidat gesucht wurde, präsentierte Scholz der ebenso überraschten wie beglückten Partei den Ex-Kulturstaatsminister Michael Naumann.

Scholz ist ein erfahrener Parteistratege, der stets den doppelten Blick hat: auf Hamburg wie auf Berlin. Nach dem Machtverlust der SPD im Bund hat das Gerangel der Spitzengenossen um die wenigen verbleibenden attraktiven Posten eingesetzt. Für den in der Bundespartei anerkannten Scholz wird es da besonders schwer, schon weil er aus einem kleinen Landesverband kommt. Scholz' Engagement in Hamburg dient daher auch dem Aufbau einer neuen Machtbasis. Wenn die Erneuerung der Bundes-SPD über die Länder laufen soll, dann kann ein von der SPD 2012 mit Scholz als Spitzenkandidaten "zurückeroberter" Stadtstaat Hamburg ein wichtiges Argument sein, damit er auch in Berlin wieder eine stärkere Rolle spielen kann.