Der Christdemokrat bevorzugt die leisen Töne. Wie auch Ingo Egloff - der SPD-Landesvorsitzende zeigt sich siegessicher.

Hamburg. Wie gut, dass Jürgen Klimke gleich vier Wahlkampfhelfer an seiner Seite hat. Ohne die jungen Männer in ihren leuchtend orangefarbenen T-Shirts würden ihn die Menschen auf dem Vorplatz des U-Bahnhofs Volksdorf wohl gar nicht wahrnehmen. Der Wandsbeker Spitzenkandidat der CDU ist keiner, der auf Passanten zugeht. Eher einer, der sich zurückhält. "Wenn Sie Fragen haben, Herr Klimke steht direkt hinter Ihnen", sagen seine Unterstützer zu den Vorbeikommenden. Es gibt nur wenige.

"Diesmal Klimke" steht auf den orangefarbenen T-Shirts und den mit Bonbons bestückten Handzetteln. Eine verhaltene Kampfansage in einem Wahlkreis, in dem der SPD-Direktkandidat bei den Bundestagswahlen regelmäßig um die 50 Prozent der Stimmen bekommt. Der Slogan passt zu Klimke.

"Ich halte nicht viel von einem Angriff in letzter Minute", sagt der 61-Jährige Politiker. "Die Leute entscheiden langfristig." Und er hofft, dass sie sich diesmal für ihn entscheiden. Nicht, weil er es nötig hätte. Klimke sitzt seit 2002 im Bundestag und ist durch Listenplatz 2 sowieso abgesichert. Doch für das Standing in Berlin wär so ein Direktmandat schon ganz schön. Und die Chancen stünden schließlich nicht schlecht - jetzt, da Ortwin Runde nicht mehr da ist. Der Ex-Bürgermeister hatte den Wahlkreis Wandsbek 2002 und 2005 mit rund 18 bzw. 13 Prozentpunkten Abstand gewonnen, ein Goliath unter den Direktkandidaten. Und jetzt Ingo Egloff. Immerhin SPD-Landesvorsitzender. Etwa keine scharfe Konkurrenz? Ach, der sei doch so mainstream-mäßig, meint Klimke. Kein Grund mehr für einen Grünwähler, seine Stimme zu splitten und das erste Kreuz bei der SPD zu machen. Und für einen Anhänger der Linken erst recht nicht.

Darauf setzen, dass die Erststimmen anstatt zur SPD zu anderen Parteien gehen - auch eine Taktik, Boden gut zu machen.

Drei Meter weiter auf dem Vorplatz legt sich Direktkandidat Anjes Tjarks am Grünen-Infostand zumindest ins Zeug. Lässige Turnschuhe, angesagter grauer Pulunder überm dunklen Hemd, selbstbewusste Stimme, breites Lächeln. Das lockt Passanten an. "Erzählen Sie mir doch mal, warum ich grün wählen soll", fragt eine junge Frau mit Fahrrad und grüner Jacke. Beste Ausgangslage für den stellvertretenden Landesvorsitzenden. Er nennt die drei großen Probleme des Landes: Wirtschafts-, Finanz- und Klimakrise - und dass die Lösung darin liege, sie miteinander zu verbinden. "Alle Wirtschaftsbereiche müssen endlich anfangen, ökologisch zu produzieren", sagt der 28-Jährige. "So schaffen wir Arbeitsplätze."

Bei der nächsten Passantin hat Tjarks es weniger leicht. Sie wähle immer dieselben: SPD, so die ältere Dame mit dem Einkaufstrolley. Kein Grund, sich als Grüner entmutigen zu lassen: "Vielleicht kann ich Sie ja aber für unsere Zweitstimme begeistern?" Erststimme SPD, Zweitstimme Grün - im Wahlkreis Wandsbek durchaus gängig. Und für Anjes Tjarks durchaus nicht die schlechteste aller Kombinationen. Auch wenn er das so - quasi in Hörweite von Jürgen Klimke - natürlich nicht so sagen würde.

Ingo Egloff sagt es offen. Auch, dass er mit einem Vorsprung von fünf bis sieben Prozent gegenüber der CDU rechnet. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das Direktmandat hole", sagt der SPD-Spitzenkandidat. Er ist bestimmt, so wie vor einem Jahr, als er die Direktkandidatur öffentlich für sich beanspruchte. Und Ortwin Runde vor den Kopf stieß. Trotzdem verfolgt er sein Motto: Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Und in einem Stadtteil wie Steilshoop, im Schatten der Hochhäuser, wo die Wahlbeteiligung mit knapp 72 Prozent am zweitniedrigsten in Wandsbek liegt, ist Kämpfen angesagt. Auch, wenn die meisten Passanten einen ignorieren. "In den sogenannten sozialen Brennpunkten ist es immer schwieriger", sagt Egloff. "Heute Morgen in Bramfeld, da lief das wie geschnitten Brot." Bramfeld, Jenfeld, Eilbek, Tonndorf, Farmsen-Berne - hier holt die SPD in der Regel mehr als 40 Prozent. In Steilshoop waren es 2005 sogar fast 50 Prozent. "Ich wähle jetzt lieber die Linke", sagt eine 64-Jährige zu Egloff. "Der Gysi und der Lafontaine, die finde ich einfach ehrlicher."

Ingo Egloff ist sich sicher, dass viele Erststimmen der Grünen und der Linken bei ihm landen werden. Dennoch versucht er es mit Überzeugungsarbeit. Und mit roten Rosen, die er im EKZ Steilshoop verteilt. "Ein Gruß von mir als Direktkandidat", sagt er zu einer Frau an der Kasse. Sie: "Ach, dann machen Sie mal weiter so." Na bitte.

Die SPD und die Grünen, die Grünen und die Linken. Irgendwie steht man sich nah in Wandsbek. Auch, wenn Vasco Schultz, Spitzenkandidat der Linken, lieber in einigen Kilometern Entfernung am Bahnhof Rahlstedt seine Parteizeitung verteilt. Inhaltlich ist die Distanz im Fall des 32-Jährigen Studenten geringer. "Ich stehe weiterhin für die Grundwerte der Grünen: gewaltfrei, sozial, basisdemokratisch, ökologisch", sagt Schultz. "Nur leider stehen die Grünen in Hamburg nicht richtig dafür."

Zwölf Jahre war Vasco Schultz Mitglied der GAL - bis er aus Protest gegen die schwarz-grüne Koalition im vergangenen März aus- und der Linken beitrat. "Bei den Herrschaftsstrukturen der GAL kann man nichts mehr bewegen. Da geht es nur noch ums Regieren", sagt Schultz. "Bei den Linken kann man noch was bewegen."

Im Moment heißt das: morgens um sieben Uhr mit Infomaterial im zugigen Bahnzugang stehen. "Üben Sie ruhig Kritik an uns, wir sind da offen", sagt Helfer Gert Schlüter (63) jedem, der vorbeikommt. "Komm doch nicht gleich immer mit Kritik", sagt Schultz. "Aber so komm ich mit den Leuten ins Gespräch", entgegnet Schlüter.

Mit den ehemaligen Parteikollegen von den Grünen gehe es weniger gesprächsfreudig zu. Es herrsche ein "unhöfliches Ignorieren". Zuletzt hatte Vasco Schultz seinen Ex-Parteifreund Anjes Tjarks zu einer Diskussionsrunde eingeladen. "Ich habe kein Interesse daran, dass das Verhältnis so bleibt", sagt Schultz. Schließlich wolle man ja irgendwann mal zusammenarbeiten. Thema der Diskussion war übrigens: "Der Untergang der Grünen."

Grüne und CDU arbeiten indes durchaus zusammen. Tjarks und Klimke teilen sich ein Auto auf dem Weg vom Bahnhof zum Gymnasium Walddörfer. Klimkes Auto, versteht sich. Viel zu sagen haben sich die zwei Kandidaten auf der Fahrt zu einer von Schülern organisierten Podiumsdiskussion trotzdem nicht.

Anders Tjarks und Egloff. Vor Beginn der Veranstaltung unterhalten sich die beiden angeregt. Und auch bei den Fragen der Schüler ist man sich einig: Egal, ob es um das Abschaffen der Studiengebühren, den Atomausstieg oder den Mindestlohn geht.

Schwerer hat es da Jan-Christopher Witt, der Direktkandidat der FDP. Obwohl er mit 24 Jahren den Schülern altersmäßig am nächsten steht - nachgelagerte Studiengebühren und verlängerte Laufzeiten für Atomkraftwerke kommen nicht gut an. Er wird in diesem Moment wohl so wie Jürgen Klimke gedacht haben: "Das Hoffnungspotenzial ist sehr ausgeprägt." Immerhin.