Das Geschäft mit Halsbändern, Körbchen und Näpfchen boomt. Gleichzeitig landen viele Tiere im Heim.

Hamburg. Die Familie hat ihrer Katze einen Brief mitgegeben, am Computer geschrieben. "Lieber Finder, mein Name ist Lucy, ich bin 13 Jahre alt", steht darin. Sie sei "kurz davor, zuckerkrank zu werden", müsse alle drei Monate zur Blutuntersuchung. Ganz unten, in kleinerer Schrift, steht: "Wir werden die schöne Zeit mit ihr nicht vergessen." Seit vier Monaten sitzt die braun gestreifte Katze mit den grünen Augen in einem Metallkäfig im Katzenhaus des Tierheims Süderstraße. Sie hat kein Diabetes bekommen. Ihre Vermittlungschancen sind trotzdem schlecht. Sie ist zu alt.

Für die Tierpfleger ist Lucy ein trauriges Beispiel von vielen. Nicole Kehde (38) arbeitet schon seit 13 Jahren im Tierheim. Sie hat viele Tiere kommen und viel zu wenige Tiere wieder gehen sehen. Und sie kann nicht verstehen, wie Menschen es schaffen, ein Tier, mit dem sie viele Jahre ihres Lebens geteilt haben, einfach wegzuwerfen. "Es werden immer mehr ältere und kranke Tiere abgegeben", sagt sie und schüttelt den Kopf.

Da ist etwa Elmar, ein zehn Jahre alter Mischlingshund, der eine schlimme Augenentzündung hat. Oder Daphne, die Schäferhündin mit der Milbenallergie, die kein Trockenfutter verträgt. Oder der Hase ohne Namen, dessen Schneidezähne regelmäßig gekürzt werden müssen. Sie alle sind nicht schwer krank, aber sie brauchen medizinische Betreuung. Und für die fehlt anscheinend vielen Besitzern das Geld.

69 Prozent der Tiere, die in den 519 zum Deutschen Tierschutzbund gehörenden Tierheimen landen, werden mit der Begründung "finanzielle Not" abgegeben. Vor allem Hunde sind Opfer der Wirtschaftskrise, ergab eine Studie des Tierschutzbundes. Sie machen 85 Prozent aller Neuzugänge in den Tierheimen aus. Für einige Herrchen und Frauchen mag die Finanzkrise nur eine Ausrede sein, um ihr Tier loszuwerden. Doch Futter, Steuer, Impfungen und Spielsachen sind teuer. Und die Behandlungskosten beim Tierarzt summieren sich schnell auf mehrere 100 Euro. Mindestens 11 000 Euro kostet ein Hund bis zu seinem Lebensende, schätzt der Tierschutzbund. Für ein Katzenleben müssen Herrchen und Frauchen 9000 Euro aufbringen. Extrawünsche nicht eingerechnet.

Pedro kann über diese Summen nur kläffen - der Kurzhaar-Mini-Chihuahua führt ein ganz anderes Hundeleben. Frauchen muss sich in der Hunde-Luxusboutique "Koko von Knebel" zwischen zwei Pullovern aus Angorawolle entscheiden. Der hellblaue passe ihm besser, der rote betone sein schwarzes Köpfchen mehr. 94 Euro kostet der modische Kälteschutz. "Er hat teurere Pullover als ich", sagt Bianca Schmitt und lacht. Pedros "Mama" spart nicht an ihrem Liebling. Eine goldfarbene Tragetasche hat er schon, jetzt soll er nicht nur einen Pullover, sondern auch ein goldiges Körbchen fürs Auto bekommen, mit Kuscheldecke. 139 Euro kostet der kleine Reisekorb. Nicht gerade ein Schnäppchen, aber Pedro soll für seine erste große Reise ins Erzgebirge gut gerüstet sein. "Wer sich ein Tier anschafft, muss auch in es investieren", sagt Schmitt.

Herrchen und Frauchen wie sie lassen die Branche boomen - trotz Wirtschaftskrise. 2,59 Milliarden Euro gaben Haustierbesitzer nach Angaben des Industrieverbandes Heimtierbedarf 2008 für Tiernahrung aus; eine Steigerung um 4,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Weitere 906 Millionen Euro wurden für Zubehör wie Hundeleinen, Kratzbäume und Spielzeug ausgegeben.

Den Tierheimen geht dagegen das Geld aus. Einigen droht sogar die Insolvenz. So dramatisch ist die Lage im Tierheim Süderstraße noch nicht, doch auch dort fehlen im Vergleich zu 2007 mehr als 130 000 Euro, die an Spenden und Mitgliedsbeiträgen weggefallen sind. "Bei den Tierbestandszahlen können wir durch eine verbesserte Vermittlung gegensteuern", sagt Gabriele Waniorek-Goerke vom Vorstand. "Unser Hauptproblem ist der drastische Rückgang der Einnahmen." Dies könnte dramatische Folgen haben, warnt der Tierschutzbund: Brechen die Spenden weiter ein, müssten Tierheime geschlossen werden.