Erst Kreuzfahrer, dann Panzerkreuzer: Die Vulkanwerft, damals nach Blohm + Voss zweitgrößte Werft, erntete Ruhm durch den 277 Meter langen “Imperator“, erlebte aber einen finanziellen Reinfall. Schon den nächsten “dicken Dampfer“ gab die Hapag bei der Konkurrenz in Auftrag, die auf Dock “Elbe 17“ bis heute Riesenpötte repariert.

Hamburg. Die gespannte Erwartung war in der gesamten Stadt zu spüren. Die Hamburger zeigten zwar sonst immer wieder gern ihre hanseatische und republikanische Gesinnung. Aber wenn der Kaiser zu ihnen kam, so wie an diesem 21. Juni 1909, dann konnte er sicher sein, dass man ihm auch in dieser Stadt zujubelte. Seine Hoheit war angereist, um an der Elbe eine neue Werft zu eröffnen. Während der Monarch, den alles Maritime faszinierte, zu der Amtshandlung auf den Steinwerder gefahren wurde, eröffnete seine Ehefrau Auguste Victoria, gewissermaßen als Damenprogramm, bei Hagenbeck Deutschlands erste Straußenfarm.

Die Eröffnung der Werft sollte für Hamburg neue Maßstäbe setzen, dort und später auch bei dem benachbarten Unternehmen Blohm + Voss, wurden bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges die größten Passagierschiffe der Welt gebaut.

Die Werft mit dem Namen Vulkan war eigentlich ein Stettiner Unternehmen, dessen Geschichte bis 1851 zurückreicht. Es war eine Gründung der beiden Hamburger Ingenieure Franz Friedrich Fürchtenicht und Franz Wilhelm Brock. Namensgeber der Werft war Vulcanus, der antike Gott des Feuers, der Schmiede- und Schmelzkunst. Das demonstrierte: Schiffe wurden nun nicht mehr aus Holz zusammengezimmert, sondern aus Eisen und später aus Stahl geschmiedet. Eine Werft, die diesen Namen annahm, signalisierte in jener Zeit, dass sie auch eiserne Kriegsschiffe bauen konnte. Das erste war das 1874 abgelieferte Panzerschiff "Preußen". Es folgten Korvetten, Kreuzer und weitere Panzerschiffe, nicht nur für die Kaiserliche Marine. Aufträge trafen auch aus China, Russland, Japan und Griechenland ein. Das erste Handelsschiff dagegen wurde erst 1885 abgeliefert. Etliche der in Stettin gebauten Passagierschiffe wie die "Auguste Victoria" oder die "Fürst Bismarck" stellten Rekorde während ihrer ersten Überfahrten in die Neue Welt auf. Später gab es dafür die Bezeichnung "Blaues Band".

Bei den wachsenden Schiffsgrößen konnte die Vulcan Werft, wie sie umgangssprachlich genannt wurde, am Standort Stettin nicht konkurrenzfähig bleiben. Das Fahrwasser der Oder reichte dafür nicht aus. So pachtete der Vorstand in Hamburg ein 23,6 Hektar großes Gelände auf dem nördlichen Teil der Elbinsel Ross und ließ dort ein Hafenbecken ausheben. Es trug den Namen Vulkanhafen. Auf sieben Helgen, von denen der längste 271 Meter maß, konnten nun wesentlich größere Schiffe entstehen.

Auf der Direktionsetage der 1877 gegründeten Werft Blohm + Voss beobachtete man argwöhnisch das Wachsen des Mitbewerbers von der Oder. Als Albert Ballin, Generaldirektor der Hapag, den Bauauftrag für den "Imperator", mit 277 Meter Länge das größte Passagierschiff der Welt, an die Vulcan Werft vergab, reagierte Hermann Blohm zunächst verärgert. Doch dies legte sich, als er erkannte, mit welchen technischen Schwierigkeiten die Schiffbauer bei diesem Neubau einer noch nie da gewesenen Größenordnung zu kämpfen hatten. Sie waren so groß, dass es der Werft zwar Ruhm einbrachte, das bis dahin größte Schiff der Welt gebaut zu haben. Finanziell aber wurde es für den Vulcan zu einem Reinfall.

Das neue Schiff mit dem herausfordernden Namen "Imperator" war von Kaiser Wilhelm II. am 23. Mai 1912 getauft worden. Seine Majestät hatte ausdrücklich darum gebeten, ein solch gigantisches Schiff nicht wie üblich mit einem weiblichen Artikel zu versehen, sondern "der Imperator" zu sagen.

Der "Imperator" gewann nur wegen seiner Galionsfigur

In Hamburg hält sich hartnäckig eine Legende. Zur selben Zeit, zu der sich der Kaiser darauf freute, Taufpate des größten Schiffes der Welt zu werden, entstand für die britische Reederei Cunard die "Aquitania", die den "Imperator" um 30 Zentimeter übertreffen sollte. Daraufhin habe man für den "Imperator" einen riesigen goldenen Adler als Galionsfigur bestellt, der weit über den Bug hinausragte. Damit wurde das deutsche Schiff um 2,70 Meter länger als das britische. Es ist heute nicht mehr herauszufinden, ob die Galionsfigur wirklich eine Verlegenheitslösung oder von Anfang an eingeplant war. Schiffbauexperten meinen, eine so große Figur hätte nicht einfach an den Rumpf angebaut werden können, sondern von Anfang an in die Konstruktion integriert werden müssen. Tatsache aber ist, dass der goldene Adler später in schwerer See vor Cherbourg zerschlagen wurde und in der See verschwand. Die Reste wurden dann nach der Rückkehr in Cuxhaven unauffällig entfernt. Nicht erst mit dem Verlust der Galionsfigur hatte "Imperator" die Spitzenposition als größtes Schiff der Welt verloren. Denn den nächsten Auftrag für ein noch größeres Schiff vergab Albert Ballin an Blohm + Voss. Er wollte insgesamt drei Riesenschiffe mit jeweils drei Schornsteinen in Dienst stellen, im Volksmund nannte man sie Ballins dicke Dampfer. Damit reagierte der Hapag-Direktor auf die steil gestiegenen Passagierzahlen jener Zeit zwischen der Alten und der Neuen Welt. Beim Bau des Schiffes wurden 34 500 Tonnen Walzstahl, 2000 Tonnen Gussstahl, 2000 Tonnen Gusseisen und 6500 Tonnen Holz verarbeitet.

Briten wollten Trockendock "Elbe 17" sprengen

Heutzutage werden in Hamburg zwar keine Riesenschiffe mehr gebaut, aber die größten Schiffe unserer Zeit kommen nach Hamburg, weil sie hier in Elbe 17 ein ausreichend großes Trockendock finden, in dem sie repariert werden können. Dabei hätten die Hamburger dieses 1942 fertiggestellte Riesendock beinahe verloren. Denn die Engländer als Besatzungsmacht wollten es nach dem Zweiten Weltkrieg sprengen, weil sie es für eine zivile Nutzung als viel zu groß ansahen. Nur die Ostmauer sollte als Kaimauer erhalten bleiben.

Die Hamburger argumentierten dagegen. Eine so umfangreiche Sprengung würde den nicht weit davon entfernt verlaufenden Elbtunnel gefährden und der Hansestadt damit eine wichtige Verkehrsverbindung von der Innenstadt in die Häfen und zu den Werften nehmen. Denn dort begann sich gerade wieder wirtschaftliches Leben zu regen.

Es folgte auf beiden Seiten eine Reihe propagandistischer Aktionen. Für deren Höhepunkt sorgte am 18. März 1950 der britische Landeskommissar für Hamburg, Sir John Kirningmont Dunlop. Obgleich er stark erkältet war, nahm er, in schützende Decken gehüllt, mitten im Elbtunnel auf einem eigens dafür herbeigeschafften Sessel Platz, um zu demonstrieren, wie sehr er an die Ungefährlichkeit der Sprengungen glaubte.

Während die Sprengladungen vorbereitet wurden, sammelten sich am Nordufer der Elbe auf dem Stintfang die Schaulustigen. Sie sahen, wie pünktlich um 15 Uhr an der Westseite des Docks eine große Wolke aus Staub und Wasser aufstieg. Die ersten Detonationen waren gezündet worden. Im Abstand von 15 Sekunden folgten die nächsten, insgesamt 24 Mal gingen die Ladungen hoch. Nachdem Rauch und Staub sich verzogen hatten, sah Dock Elbe 17 für die Schaulustigen aus, wie zuvor. Sogar aus der Nähe betrachtet hielten Bauexperten die entstandenen Schäden für reparabel. Wie aber war es dem britischen Landeskommissar im Tunnel ergangen? Die Röhren unter der Elbe hatten vibriert, das Leben des Offiziers war tatsächlich nicht in Gefahr gewesen.

Den Hamburgern blieb damit Dock Elbe 17 erhalten. Weshalb sie sich so vehement für den Erhalt einsetzten, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Ob es einfach ein Stück zivilen Ungehorsams gegenüber der britischen Besatzungsmacht war, also ein Machtspiel, oder der Stolz darauf, in der Stadt ein 350 Meter langes Dock - eines der größten Europas - zu haben, kann man nicht mehr herausfinden. Für die Schifffahrt der gerade begonnenen 50er-Jahre jedenfalls benötigte man ein so großes Dock tatsächlich nicht. Von den größten Frachtern jener Zeit erreichten nur wenige 150 Meter Länge. Die größten Passagierschiffe, wie die 1939 gebaute "Queen Elizabeth" oder die 1935 gebaute "Normandie" erreichten zwar schon 300 Meter Länge. Solche Schiffe kamen aber nicht nach Hamburg - noch nicht.

Doch seit 2004 kam das längste Passagierschiff der Welt, die "Queen Mary 2" mehrfach ins Dock Elbe 17. Und Ostern 2006 dockt auch das nach Vermessung größte Passagierschiff der Welt, die "Freedom of the Seas" in Hamburg ein. So kann die Hansestadt mit Recht behaupten, seit nunmehr 100 Jahren die Stadt der Riesenschiffe zu sein.