Die Hamburger Firma Putz & Partner setzt bei der Wahl neuer Mitarbeiter bewusst auf ältere und erfahrene Bewerber und expandiert kräftig.

Hamburg. Dem Klischee eines Unternehmensberaters entspricht Ralf Brennenstuhl ganz und gar nicht: Bis zur Rente will er bei seinem Arbeitgeber bleiben. "Es ist ein gesundes und gutes Gefühl, dass ich meine Energie nicht mehr unnötig in internen Karrierekämpfen verschwenden muss", sagt der Diplom-Ingenieur über seine Arbeit bei der Unternehmensberatung Putz & Partner. Brennenstuhl ist 56, berät Unternehmen, die in der Liga einer Lufthansa Technik oder Deutschen Telekom spielen, und geht nicht selten mit den Kunden abends noch ein Bier trinken, etwas klönen. In seiner Freizeit spielt er Tischtennis, wohnt mit der Familie in Ahrensburg. Viele seiner Kollegen der Hamburger Beratung mit Sitz in der Nähe der Binnenalster denken ähnlich, sind in seinem Alter. Das ist ungewöhnlich für die Branche.

Putz & Partner beschäftigt 100 Mitarbeiter, kommt aber bewusst ohne die jungen Wilden aus, die schon im Studium auf eine Stelle als Unternehmensberater bei A.T. Kearney, Accenture oder Roland Berger spekulieren. Oft haben diese in erster Linie das Einstiegsgehalt im Blick, das bei den Großen der Branche gut 70 000 Euro erreichen kann. Dafür sind die Mitte Zwanzigjährigen dann in ihrem ersten Job mehr auf Reisen als zu Hause, nehmen die Arbeit über Nacht mit ins Hotel. Auf eine einigermaßen geregelte Bürotätigkeit, zumal in der Heimat Hamburg, wagen sie gar nicht erst zu hoffen. Bei den Kunden wirken diese Berater dann oft wie aus der Zeit gefallen, wie Theoretiker, die zwar toll analysieren können, denen aber für die Umsetzung in der Praxis das Vorstellungsvermögen fehlt.

"Wir sehen die Problematik, dass junge Unternehmensberater oft nicht auf Augenhöhe mit den Kunden kommunizieren können", sagt Volker Rothenpieler, Sprecher des Vorstandes von Putz & Partner. Das sei der Hauptgrund, warum die Hamburger ausschließlich ältere Berater einstellen. Es ist ein seltener Weg in einer Branche, die ähnlich wie Werbeagenturen dem Jugendwahn verfallen ist. Den Höhepunkt erreichte der Trend vor einigen Jahren, als die Hälfte aller Unternehmensberater direkt von der Uni kam.

+++ Schlechte Chance für "50 plus" +++

Inzwischen denken auch andere Firmen um und stellen "nur" noch ein Drittel frisch diplomierter Absolventen ein. "Wir richten uns nach den Wünschen der Kunden und stellen das Projektteam entsprechend der Expertise der Kollegen zusammen", sagt Viona Brandt von der Roland Berger Strategy Consultants Holding.

Problematisch ist es für die Branche in der Vergangenheit immer dann geworden, wenn die jungen Unternehmensberater noch keinen Tag als "Normalo" in einer Firma gearbeitet haben und nicht wissen, wie Manager ihr Team führen und auf Veränderungen einstimmen müssen. Manche ignorieren, was ihr Eingreifen in den Konzernen bedeutet. Sie bleiben mit ihrer Beratung an der Oberfläche, einige Powerpoint-Präsentationen enden auf Nimmerwiedersehen in der Schublade, auch wenn die Kunden rund 2000 Euro am Tag für diese Arbeit zahlen müssen. Welche Trümmerhaufen kurzsichtiges Handeln in der Wirtschaft hinterlassen kann, zeigen Negativbeispiele wie der US-Konzern Enron.

Der Blick in die Zukunft gelingt vielen aber nur mit Erfahrungen aus der Vergangenheit. "Die Wirtschaft ist von Zyklen geprägt, die mehrere Jahre dauern", sagt Rothenpieler. Seiner Meinung nach ermögliche erst ein zehn- bis 15-jähriger Berufsweg guten Beratern den nötigen Weitblick. Ein weiterer Grund für die Personalpolitik bei Putz & Partner ist aber neben der Qualifikation auch der Fachkräftemangel. Die Branche braucht bis zum Jahresende 4000 neue Mitarbeiter. Das Geschäft läuft durch die Bank gut, es soll in diesem Jahr um 1,4 Milliarden Euro wachsen, schätzt der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater.

Bei Putz & Partner soll der Umsatz in diesem Jahr auf 15,5 Millionen Euro steigen, ein Dutzend neue Berater will die Firma einstellen, um das Wachstum zu ermöglichen. Meist ist aber die Fluktuation im Consulting hoch, es herrscht eine Drehtürmentalität. Bei Älteren ist das häufig anders. "Bei Mitarbeitern, die bereits einen erfolgreichen Karriereweg vorweisen können, ist der Wechselwille oft nicht mehr so ausgeprägt", hat Rothenpieler erfahren. Zumal dann, wenn sie sich wohlfühlen bei der Arbeit.

+++ Auch die Konkurrenz sucht erfahrene Bewerber +++

"Die gestandenen Persönlichkeiten bei uns müssen nicht erst in Meetings noch beweisen, dass sie die Klügsten sind", sagt Andreas Urbanczyk, der nach Stationen bei Roland Berger und bei Hoechst zu Putz & Partner kam. Urbanczyk ist 45 und sieht sich ebenfalls am Ziel seiner beruflichen Wünsche. Der Hamburger schätzt die unabhängige Arbeitsweise und auch die Möglichkeit, auf politische Taktiken, wie sie in anderen Firmen bei der Karriere unerlässlich sind, verzichten zu können.

Auch Souha Arbach, zu deren Kunden etwa die Schuhkette Ludwig Görtz und die Hamburger Freenet gehören, fühlt sich in der Beratung zu Hause: "Ich schätze es besonders, hier mit Menschen zu arbeiten, die Spaß haben an immer neuen Aufgaben", sagt die Diplom-Kauffrau, die als Hobby gerne singt und auch im guten Verhältnis von Arbeit und Freizeit eine Voraussetzung für die dauerhafte Beratertätigkeit sieht. Es wird zwar viel gearbeitet. 160 Tage fern der Heimat auf Projekten eingesetzt zu sein gehört auch bei den Hamburgern zu den unerwünschten Nebenwirkungen des Jobs. Zuweilen arbeiten die Berater dort aber auch einmal, wie andere Urlaub machen, lässt Rothenpieler durchblicken: "Wir treffen uns alle acht Wochen zum Kaminabend und gehen auf der Alster segeln."